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Prof. Dr. Jan Viebig (Oddo BHF): Wachstumsrisiken in China

06.05.2022 - Für den 4. Mai 2022 wurden für Frankfurt am Main nach derzeitigem Stand 5.545 neue Fälle von Covid-19 gemeldet, eine deutliche Verbesserung gegenüber den vergangenen Wochen. Für die Metropolregion Schanghai meldete die staatliche Gesundheitskommission auf dem Höhepunkt der jüngsten Corona-Welle, am 28. April, 5.489 neue Fälle. Ganz China kam, glaubt man den Angaben, auf 5.659 Neumeldungen. Doch Zahlen, die in Frankfurt mit seinen 750.000 Einwohnern mittlerweile als Erfolg wahrgenommen werden, lösen in der 26 Millionen-Metropole Schanghai einen wirtschaftlichen Infarkt aus, der weit über die Grenzen Schanghais und Chinas hinauswirkt.

Den Unterschied macht die "Zero-Covid"-Strategie, der sich die chinesische Führung unter Präsident Xi Jinping verschrieben hat. Jedes Aufflackern der Infektion soll möglichst im Keim erstickt werden. Die verordnete Nulltoleranz hatte zur Folge, dass in Schanghai seit Anfang April strikte Ausgangsbeschränkungen herrschen. Die Einwohner sind aufgefordert, zu Hause zu bleiben. Menschen, die bei Massentests ein positives Ergebnis hatten, mussten sich umziehen, Schutzbekleidung anlegen und wurden direkt in zentrale Unterkünfte gebracht. Es wurden Straßensperren errichtet und Wohngebiete eingezäunt. Ganze Wohnanlagen und Stadtviertel, in denen eine Häufung von Fällen registriert worden war, wurden geräumt und die Bewohner mit Bussen in Quarantäneunterkünfte verfrachtet, teils Hunderte von Kilometern von Schanghai entfernt. Andere wiederum durften ihren Arbeitsplatz nicht mehr verlassen, damit Unternehmen oder staatliche Stellen einen Notbetrieb aufrechterhalten konnten. Zuhause schließlich gerieten viele Menschen angesichts von Ausgangsbeschränkungen, leeren Geschäften und Lieferproblemen in existenzielle Notlagen.

Einschließlich Schanghai sind insgesamt sechs Provinzen von Lockdowns betroffen. Trotz der inzwischen rückläufiger Infektionszahlen gelten weiterhin umfangreiche Einschränkungen, insbesondere auch im Reiseverkehr zwischen den Städten und Provinzen. In Peking finden derzeit Massentests statt, weil die Zahl der Neuinfektionen nach oben gelaufen ist; die Bewegungsfreiheit zwischen den Distrikten ist eingeschränkt, die Schulen sind geschlossen, und die Regale von Lebensmittelgeschäften sind aus Angst vor einem harten Lockdown leergefegt. Und angesichts der dogmatischen Vorgaben der Regierung dürften die regional Verantwortlichen lieber übervorsichtig bleiben als durch einen Corona-Ausbruch den Zorn der politischen Spitze auf sich zu ziehen. Diese hatte im Jahr 2020 die erfolgreiche Anwendung des Zero-Covid-Prinzips als Beleg für die "Überlegenheit des sozialistischen Systems chinesischer Ausprägung" - Originalton Präsident Xi Jinping - gefeiert hatte. Die Welle von Lockdowns in China hinterlässt tiefe wirtschaftliche Spuren. Die wirtschaftliche Bedeutung Schanghais übersteigt die von Wuhan, wo im Jahr 2020 der Schwerpunkt des Infektionsgeschehens war, bei weitem.

Rein rechnerisch trägt Schanghai knapp 4% zum chinesischen BIP bei, ist aber eine zentrale Drehscheibe für unzählige wirtschaftliche Aktivitäten in China, insbesondere auch in den angrenzenden Provinzen Zhejiang und Jiangsu. Darüber hinaus ist China ein wichtiger Markt für zahlreiche internationale Unternehmen, und dortige Produktionsstätten sind ein wesentliches Glied der globalen Lieferketten. Phasenweise warteten Schiffe vor dem Hafen von Schanghai tagelang, um einlaufen zu können und weitere Tage, um be- oder entladen zu werden. In der Hochphase dauerte es durchschnittlich 8 Tage, bis Schiffe abgefertigt waren.

Im Hafen stauten sich die Container für den Weitertransport, und vor der Stadt stauten sich die Lastwagen. Weltweit fehlen die in China blockierten Transportkapazitäten an Schiffen und Containern. Ein logistischer Albtraum von globaler Dimension.

Zwar war das chinesische Wirtschaftswachstum des ersten Quartals mit 4,8% im Vergleich zum Vorjahr noch recht erfreulich, doch bereits im März schwächte sich die Dynamik ab. Die aktuellen Zahlen für den Caixin- Einkaufsmanagerindex zeigen im April 2022 einen scharfen Einbruch sowohl im verarbeitenden Gewerbe als auch im Dienstleistungssektor, auf 46,0 bzw. 36,2. Die Schwelle zwischen Expansion und Kontraktion liegt bei 50. Selbst wenn sich die Corona-Lage in China langsam normalisiert (wofür es angesichts der Infektiosität der Omikron-Variante keine Garantie gibt), dürften die Verantwortlichen angesichts der politischen Bedeutung die Einschränkungen nur vorsichtig zurückführen.

Zudem belasten weitere Faktoren die chinesische Wirtschaft.

Hier ist zunächst die Schwäche des Immobilienmarktes zu nennen. Die chinesische Regierung hatte nach den kreditgetriebenen Exzessen der vergangenen Jahre im letzten Jahr die regulatorischen Vorgaben ("3 red lines") verschärft und damit eine Konsolidierung des Sektors und eine deutliche Abkühlung der Bautätigkeit und des Immobilienmarktes ausgelöst. Weitere regulatorische Eingriffe beschränkten die Geschäftsaktivitäten von Technologieunternehmen wie Alibaba oder Tencent und des privaten Bildungssektors.

Zweitens dämpft die durch den Ukraine-Krieg und die Energiepreissteigerungen ausgelöste weltweite Verlangsamung der Wirtschaftsaktivitäten die Nachfrage nach chinesischen Produkten, und die höheren Rohstoffkosten schrumpfen die Margen der Hersteller. Hinzu kommt, dass die Wachstumsrisiken durch neue Covid-Wellen, das Bemühen der internationalen Unternehmen um weniger krisenanfällige Lieferketten, und die Verschlechterung der globalen Wachstumsperspektiven die Investitionsbereitschaft in China bremst. Gerade auch die westlichen Unternehmen beginnen zunehmend, ihre Investitionspläne zu überprüfen. Eine kürzlich veröffentlichte Umfrage der Handelskammer der EU in China gibt an, dass 23% der befragten Unternehmen vor dem Hintergrund der Covid-Politik darüber nachdenken, ihre laufenden oder geplanten Investitionen zu verlagern.

Die chinesische Regierung hatte das Wachstumsziel für das Jahr 2022 mit 5,5% angegeben. Unter den aktuellen Vorzeichen erscheint dies nur schwer zu realisieren; selbst der Internationale Währungsfonds, der der chinesischen Führung nur selten in die Parade fährt, schätzt das erreichbare Wachstum mit 4,4% weitaus bescheidener ein. Präsident Xi Jinping scheint sich allerdings in dem halben Jahr vor dem 20. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas, der ihm eine historisch außerordentliche dritte Amtszeit als Präsident sichern soll, keine politische Blöße geben zu wollen. Wachstum hat letztlich die Funktion, die Macht der Partei und ihrer Führung zu sichern. So wurden mittlerweile einige Initiativen zur schärferen Regulierung der Internet- Unternehmen - beispielsweise Pläne, die Internet-Nutzung von jungen Menschen zu begrenzen - auf Eis gelegt. Zur Kompensation der gestiegenen Weltmarktpreise wurden die Einfuhrzölle auf Kohle auf null gesetzt, die People's Bank of China geht entgegen dem internationalen Trend auf Lockerungskurs (was zur Schwäche des Renminbi beiträgt).

Ende April wurde auch ein umfangreiches Paket von Infrastrukturinvestitionen angekündigt, die das Wachstum und die nationale Sicherheit stärken sollen. Die Regierung will in "grüne" und CO2-schonende Energieerzeugung investieren, das Netz von Öl- und Gaspipelines ausbauen und regionale Flughäfen bauen, insbesondere auch für den Gütertransport. Darüber hinaus sollen sich die Investitionen auf Super- und Cloud-Computing, Künstliche Intelligenz und Breitbandnetze konzentrieren.

Damit greift die chinesische Führung auf das alte Drehbuch der chinesischen Makrosteuerung zurück: "Wachstumslücken" werden mit Hilfe schuldenfinanzierter Infrastrukturinvestitionen gestopft.

Xi fordert "äußerste Anstrengungen" und betont zudem den Aspekt der nationalen Sicherheit. Bedenken, die in den letzten Jahren gegenüber der steigenden und oft ineffizient eingesetzten Verschuldung geäußert wurden, werden hintenangestellt. Es bleibt abzuwarten, ob der neue Stimulus mehr als ein Strohfeuer entfacht. Die ohnehin hohe inländische Verschuldung (Staat und privater Sektor) steigt jedoch weiter.


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