02.06.2025 -
Sehen wir den letzten Zinsschritt? Nach sieben aufeinanderfolgenden Zinssenkungen steht die EZB vor einem Richtungsentscheid, sagt unser Chief Investment Officer (CIO), Luca Pesarini.
"Mit nahezu 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit rechnet der Markt im Juni fest mit einer weiteren Lockerung von 25 Basispunkten - und das zu Recht. Die aktuellen Wirtschaftsdaten liefern der Notenbank gute Gründe für diesen Schritt.
Denn die Inflationsentwicklung spielt der EZB dabei in die Karten: Seit Jahresanfang sind die Rohölpreise um rund 11 Prozent gefallen und der Euro wertete um ca.10 Prozent gegenüber dem Dollar auf - beides wirkt deflationär. Die Kernteuerung bleibt zwar hartnäckig bei 2,8 Prozent, aber der Trend zeigt nach unten.
Durchwachsen präsentiert sich das Wirtschaftswachstum. Das erste Quartal überraschte mit 0,3 Prozent Wachstum, doch die Stimmung trübte sich ein. Zusätzliche Unsicherheit bringen die angekündigten US-Zölle. Auch wenn die Reziprozität vorerst ausgesetzt wurde, ein Scheitern der Verhandlungen könnte eine erneute Eskalation bedeuten - der Handelskonflikt bleibt ein großes Risiko.
Wachstumsfördernd könnte sich das von Deutschland geplante 500-Milliarden-Euro-Infrastrukturpaket auswirken, jedoch brauchen solche Programme Zeit, bis sie in der Realwirtschaft ankommen.
Mit der Juni-Senkung würde der Einlagenzins bei 2,0 Prozent landen - genau in der Mitte des von der EZB definierten neutralen Bereichs von 1,75 bis 2,25 Prozent. Ein natürlicher Haltepunkt. Was danach passieren soll, brachte EZB-Direktorin Isabel Schnabel kürzlich auf den Punkt: Die Zinsen sollten "fest im neutralen Bereich" bleiben. Weitere Lockerungen wären nur bei einer "scharfen Verschlechterung des Arbeitsmarktes" oder "einer Entankerung der Inflationserwartungen nach unten" möglich. Beides ist derzeit nicht absehbar.
Fazit: Der Weg für eine Juni-Zinssenkung ist frei. Schwächere Konjunkturdaten, sinkende Energiepreise und ein stärkerer Euro schaffen Raum für diesen Zinsschritt. Danach dürfte die EZB erst einmal abwarten, um zu sehen, wie sich die Handelsgespräche mit Washington entwickeln und ob die angekündigten Konjunkturpakete wirken. Nur bei einer deutlichen Verschlechterung der Lage wären weitere Schritte nötig - ansonsten kommt dieser Zinszyklus zu seinem Scheidepunkt."