MÜNCHEN (dpa-AFX) - Das Medizintechnik- und Softwareunternehmen Brainlab strebt an die Börse. Geplant sei eine Notierung in den kommenden Wochen im Prime Standard an der Frankfurter Börse, teilte das Unternehmen am Donnerstag in München mit. Dazu will Brainlab neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung im Umfang von bis zu 200 Millionen Euro anbieten. Hinzu kommt eine noch nicht genau benannte Zahl an Sekundäraktien, unter anderem von Unternehmensgründer und Aufsichtsratschef Stefan Vilsmeier. Über den bevorstehenden Börsengang wurde bereits seit einiger Zeit spekuliert. Angestrebt werde ein Emissionserlös von 600 Millionen Euro bei einer Gesamtbewertung von rund 3 Milliarden Euro, hatte die "Börsen-Zeitung" zuletzt berichtet. In einem Gespräch mit dpa-AFX wollten Vilsmeier und Brainlab-Lenker Rainer Birkenbach diese Zahlen nicht kommentieren.
Vilsmeier, der aktuell rund die Hälfte an Brainlab hält, will nach eigenem Bekunden auch nach dem Börsengang langfristiger Investor bleiben. Er werde sich voraussichtlich von einem Anteil im niedrigen einstelligen Prozentbereich trennen, sagte er. Er gehe davon aus, dass auch der zweitgrößte Aktionär, die Private-Equity-Gesellschaft EMH Partners, die Entwicklung von Brainlab weiter unterstützen werde. EMH ist derzeit mit 35 Prozent beteiligt, wieweit der Anteil nach dem Börsengang sinkt, bleibt vorerst offen. Konkretes wird es erst mit der Veröffentlichung des Angebotsprospekts in rund zwei Wochen geben.
Es ist der zweite Anlauf für einen Börsengang von Brainlab. 2001 hatten die Bayern ihr Börsendebüt wegen des damals sehr schwachen Umfelds am sogenannten "Neuen Markt" kurzfristig abgesagt.
Das aktuelle Vorhaben sei aus langer Hand vorbereitet, "wir haben viele Gespräche mit Investoren geführt und positives Feedback erhalten", betonte Vilsmeier. Den Gesundheitsmarkt sieht der Manager zunehmend in einer Krise, ohne eine beschleunigte Digitalisierung sei eine adäquate Gesundheitsversorgung in der Zukunft kaum noch sicherzustellen.
Hier setzen Brainlabs Technologien an: Die Bayern bieten Medizintechnik-Software und -Geräte etwa für Operationen und Tumor-Strahlentherapien an. Mit der Technik können Operationen beispielsweise am Gehirn oder an der Wirbelsäule exakt geplant und gesteuert werden. Die Technologien werden mittlerweile in rund 4000 Einrichtungen und 120 Ländern verwendet.
Im vergangenen Geschäftsjahr, das bis Ende September 2024 lief, erwirtschaftete Brainlab mit rund 2.000 Beschäftigten einen Umsatz von 470 Millionen Euro und eine operative Marge (Ebitda-Marge) von knapp 17 Prozent. Beide Kennziffern wachsen: Bereinigt um Portfolioveränderungen betrug die Marge im ersten Halbjahr des aktuellen Geschäftsjahres 22,4 Prozent - bei einem Umsatz auf Rekordniveau. Positiv auf das Wachstum wirke sich dabei auch aus, dass der Vertrieb inzwischen auf ein Abomodell umgestellt wurde - die Zahl der Abonnenten überwiegt inzwischen die der einmaligen Lizenznehmer.
Brainlab wurde 1989 von Vilsmeier gegründet. Zum Jahreswechsel hatte sich der 57-Jährige von der Führungsspitze und aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Sein Nachfolger Birkenbach war vor seinem Wechsel auf den Chefsessel bereits mehr als 25 Jahre für die Forschung und Entwicklung bei Brainlab verantwortlich.
Auch künftig will Brainlab weiter profitabel wachsen. Dazu will das Unternehmen in weitere Anwendungsfelder wie etwa die Orthopädie, Sportmedizin und den HNO-Bereich expandieren, wozu auch die Einnahmen aus dem Börsengang verwendet werden sollen.
"Derzeit adressieren wir nur einen Bruchteil aller klinischen Bereiche, die unsere Technologieplattformen unterstützen könnten", sagte Brainlab-Chef Birkenbach. Zudem soll der Vertrieb ausgebaut werden. Mit den neuen Mitteln will das Unternehmen auch seine Bilanz stärken, "um den strategischen und finanziellen Spielraum für langfristiges Wachstum weiter zu verbessern". So sollen Kredite zurückgeführt und die Verschuldung abgebaut werden, die sich zuletzt auf rund 230 Millionen Euro belief.
Tendenziell bahnen sich nach einem eher schwachen Börsengangsjahr 2024 wieder mehr sogenannte IPO an, auch bei den deutschen Unternehmen. So gelten etwa der Prothesenhersteller Ottobock und das Fintech Raisin als Kandidaten. Zuletzt waren bereits der Stromnetzausrüster Pfisterer aus der Nähe von Stuttgart und die Münchener Softwarefirma Innoscripta an der Börse gestartet. Der Arzneimittelhersteller Stada aus dem hessischen Bad Vilbel hatte dagegen im März seine Börsenpläne kurzfristig verschoben, erwägt aber offenbar einen neuen Anlauf im Oktober - parallel sprechen die Eigentümer Cinven und Bain Capital mit Interessenten über einen Verkauf./tav/lew/mis