16.06.2025 -
Zinsen auf Pause, aber das politische Spiel beginnt
Die Inflation ist in den USA auf dem Rückzug, der Arbeitsmarkt zeigt sich stabil, aber mit ersten Ermüdungserscheinungen - und im Hintergrund formiert sich ein politisches Machtspiel. Eine Leitzinsänderung beurteilt Luca Pesarini, Chief Investment Officer (CIO) von ETHENEA Independent Investors S.A., vor diesem Hintergrund als nahezu ausgeschlossen:
"Die Fed dürfte das aktuelle Zinsniveau beibehalten. Doch die Juni-Sitzung diese Woche könnte faktisch die letzte unter der derzeitigen Führung sein - und damit geldpolitisch sowie institutionell einen Wendepunkt markieren.
Inflation: Leichter Rückgang, aber struktureller Druck bleibt
Die April-Zahlen zur Inflation, die näher an der Zwei-Prozent-Marke notieren, deuten auf eine moderate Entspannung hin. Doch Entwarnung ist nicht angebracht: Vorlaufende Indikatoren aus Industrie und Dienstleistungen signalisieren erneut steigende Inputkosten. Unternehmen wälzen diese zunehmend auf die Verbraucher ab, während die Inflationserwartungen der Haushalte auf hohem Niveau verharren. Die Auswirkungen der jüngsten Zollmaßnahmen dürften sich im weiteren Jahresverlauf verstärken, was die Kerninflation tendenziell stützen wird. Die Fed wird in ihrer restriktiven Haltung vorerst keine Spielräume sehen.
Arbeitsmarkt: Solide, aber mit sichtbarer Abkühlung
Die US-Arbeitsmarktdaten sind weiterhin resilient, bei nachlassender Dynamik. Die Zahl der Neueinstellungen sinkt, während Entlassungen gering bleiben. Die Arbeitslosenquote verharrt im Mai bei stabilen 4,2 Prozent. Der Beschäftigungsaufbau flacht ab, die Lage bleibt jedoch robust. Für die Fed bedeutet dies: Die makroökonomische Basis rechtfertigt eine abwartende Haltung. Zinssenkungen sind derzeit weder zwingend noch ausgeschlossen, aber auch nicht zeitkritisch.
Politischer Druck: Der 'Schattenvorsitz' wirft seine Schatten voraus
Präsident Trump hat angekündigt, zeitnah einen Nachfolger für Jerome Powell zu benennen - fast ein Jahr vor Ablauf dessen Amtszeit. Damit rückt die Idee eines 'Schattenvorsitzenden' ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Namen wie Kevin Warsh oder Scott Bessent kursieren bereits. Sollte die Ankündigung erfolgen, drohen konkurrierende geldpolitische Signale zwischen offizieller Fed und dem designierten Nachfolger - insbesondere, wenn dieser offen Zinssenkungen forciert. Die institutionelle Glaubwürdigkeit der US-Geldpolitik würde so in akute Gefahr geraten.
Fazit: Ein geldpolitischer Stresstest
Diese Juni-Sitzung wird somit nicht wegen des Zinspfads in Erinnerung bleiben, sondern als Prüfstein für die Unabhängigkeit der Notenbank. Die eigentliche Herausforderung liegt nicht in widersprüchlichen Wirtschaftsdaten, sondern im politischen Eingriff in die geldpolitische Kommunikation. Wer in den kommenden Monaten das Vertrauen der Märkte prägt - die amtierende Fed oder ein möglicher Schattenvorsitzender -, wird über weitaus mehr entscheiden als den nächsten Zinsschritt."