03.07.2025 -
Die aktuelle Wirtschaftslage ist von politischer Unsicherheit geprägt. Diese wirkt sich auf globale Handelspartner, Unternehmen und letztlich auf Verbraucher aus. Neue Handelsschranken und Zollstreitigkeiten bremsen den globalen Handel. Die kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine und im Nahen Osten belasten zusätzlich die politische Stabilität und erschweren verlässliche Planungen. Trotz dieser Konflikte zeigen sich Wirtschaft und Märkte außerordentlich widerstandsfähig. Auf die kommenden Quartale blickend, wird klar: jede politische Entscheidung, jede Eskalation oder Deeskalation hat das Potential, die Wirtschaft und die Märkte zu extremen Handlungen zu zwingen.
Inflation
Die Preise in den USA und Europa sind zuletzt schwächer gestiegen als erwartet. Der befürchtete Anstieg aufgrund des Handelskonflikts ist bisher also ausgeblieben. Die Kerninflation in den USA liegt bei 2,8 % und die Gesamtinflation bei 2,4 %. In Europa liegt die Kerninflation bei 2,3 % und insgesamt bei 1,9 %. Die Zölle haben die Inflation bislang kaum beeinflusst. Wie sich Trumps Zollpolitik weiter auswirkt, bleibt abzuwarten. Entscheidend wird der weitere Verlauf der Handelsgespräche sein, Zölle sind da nur eines von vielen Themen.
Nach vorne blickend steigen die kurzfristigen Inflationsrisiken eher. Langfristig jedoch werden die preisdämpfenden Effekte von Künstlicher Intelligenz noch zu wenig beachtet - selbst die Zentralbanken berücksichtigen sie bislang kaum. Die EZB erwartet, dass die Inflation spätestens 2027 unter das Zwei-Prozent-Ziel fällt. Deshalb pausieren sie nach acht Zinssenkungen zunächst. Die Fed hingegen wird demnächst zu weiteren Zinssenkungen übergehen. Wir rechnen damit, dass die Fed ihre Leitzinsen noch in diesem Jahr um weitere 50 Basispunkte und im gesamten Senkungszyklus mindestens um 100 Basispunkte senken wird. Auch erwarten wir, dass Trump bald einen Nachfolger für Fed-Chef Jerome Powell in Stellung bringen wird. Der neue Kandidat wird höchstwahrscheinlich die Agenda des Präsidenten unterstützen und als Sprachrohr für dessen Erwartungshaltung fungieren - ganz im Sinne eines Schattenpräsidenten.
Wachstum
Protektionismus, Vertrauensverlust und geopolitische Risiken bremsen die Weltwirtschaft spürbar. Die Abwärtsrisiken haben zugenommen. Das globale Wachstum wird in diesem Jahr voraussichtlich auf unter 3 % gebremst. Während Umfragen zur Wirtschaftstätigkeit auf eine Abschwächung hindeuten, belegen harte Wirtschaftsdaten bisher nur einen moderaten Einfluss durch den Handelskonflikt. Die Divergenz zwischen den sogenannten Soft- und Hard-Daten ist nicht neu. Sie hat sich im abgelaufenen Monat zwar etwas abgeschwächt, besteht aber weiterhin. Grundsätzlich sollte nach ein, maximal zwei schwächeren Quartalen das Wirtschaftswachstum wieder deutlich zulegen. Zusätzlich zu den bereits erfolgten Zinssenkungen der EZB und den erwarteten Zinssenkungen der Fed gewinnen auch verschiedene staatliche Förderprogramme und Ausgabenmaßnahmen immer mehr an Bedeutung. Dieses positive Szenario gilt, solange Zölle oder geopolitische Konflikte nicht erneut eskalieren. Sollte das US-Reformpaket "One Big Beautiful Bill" mit Steuersenkungen, Deregulierung und höherer Schuldenobergrenze verzögert oder verändert werden, werten wir das negativ.
Kernüberzeugungen
Für Ethenea als Multi-Asset-Boutique sind die drei Assetklassen Anleihen, Aktien und Währungen von entscheidender Bedeutung.
Anleihen
Aktuell befinden sich die Kreditaufschläge für Anleihen auf historisch niedrigem Niveau. Unsere Projektion geht von einer anhaltenden Phase positiven Wirtschaftswachstums aus, deshalb erwarten wir weiterhin niedrige Spreads. Ohne einen externen Schock halten wir einen deutlichen Anstieg der Renditen derzeit für unwahrscheinlich. Wir bleiben im Fixed-Income-Bereich neutral und fokussieren uns weiter auf hohe Bonität. Wegen der zunehmenden Politisierung des US-Dollars haben wir einen Teil der Dollar-Anleihen in Euro-Anleihen getauscht.
Die Zinsseite bleibt unverändert. Wir gehen davon aus, dass die kurz- und längerfristigen Zinsen ihre Höchststände überschritten haben. Wir haben in allen betreffenden Portfolien die durchschnittliche Restlaufzeit der Anleihen sukzessive angehoben. Für eine zusätzliche Steuerung der Duration mittels Overlay sehen wir aktuell keinen Anlass.
Aktien
Ein sehr gutes Zitat für unsere Sicht auf die Aktienmärkte stammt von Sir John Templeton:
"Bullenmärkte werden in Pessimismus geboren, wachsen in Skepsis,
reifen in Optimismus und sterben in Euphorie."
Viele Indizes haben Höchststände erreicht, Euphorie herrscht aber nicht - im Gegenteil. Wir bleiben bullisch für Aktien, denn die Wirtschaft ist bislang sehr widerstandsfähig und die Wachstumsdynamik intakt. Tendenziell sinkende Zinsen, Deregulierung und eine anhaltende Ausweitung von KI-Anwendungen sollten unterstützend für Gewinn und Bewertung wirken. Wir halten die Portfolios derzeit mit einer durchschnittlichen Nettoquote flexibel, damit wir bei steigender Volatilität oder Rücksetzern gezielt zukaufen können.
FX
An unserer längerfristigen Einschätzung zum US-Dollar hat sich nichts geändert. Wir erwarten eine Schwächephase. Wir akzeptieren eine höhere US-Dollarquote wie im Juni nur in Zeiten großer geopolitischer Unsicherheit und das auch nur wegen des Risikomanagements. Momentan meiden wir den Dollar, weil sich der Zinsvorteil verringert, das Wachstum schwächer bleiben dürfte und die USA ihre Währung zunehmend als Druckmittel einsetzen. Nicht nur die Amerikaner wollen den Dollar schwächen, auch die großen US-Gläubiger wie Japan oder China könnten im großen Stil Greenbacks verkaufen, sollte der Zollstreit eskalieren. Aus unserer Sicht zu viel Gegenwind für zu wenig Ertrag.