07.07.2025 -
Vor der Bundestagswahl im Februar 2025 wurde bei CDU/CSU der Eindruck vermittelt, man wolle beherzter Reformen angehen, um die darbende Wirtschaft zu beleben. Wir hatten an dieser Stelle die in den Wahlprogrammen der genannten Parteien verankerte Versprechung einer vollständigen Abschaffung des Solidaritätszuschlags als Lackmus-Test für deren Reformwillen apostrophiert. Mittlerweile sind die Unklarheiten beseitigt. Die neue Bundesregierung, die einer GroKo 3.0 gleichkommt, wird den Solidaritätszuschlag nicht vollständig abschaffen und stattdessen als Reichensteuer weiterführen. Jeder Aktienanleger kann das mühelos selbst beobachten, wenn er eine Dividendenabrechnung von einer deutschen Aktiengesellschaft bekommt.
Wichtiger noch ist der grundsätzliche Zukunftspfad, den die neue Bundesregierung beschreiten will. Dort zeigt sich, dass man sich bei CDU/CSU und SPD scheut, die notwendigen Reformen zügig anzugehen. Stattdessen werden riesige Schulden gemacht, um durch dramatisch höhere Staatsausgaben bzw. staatliche Investitionen der Wirtschaft Impulse zu verleihen. Derweil wird ein zusätzliches Ministerium aufgebaut und die Anzahl der beim Staat Beschäftigten nimmt - ähnlich den Steuereinahmen - weiter zu.
Die Aktienbörsen haben angesichts dieser Entwicklungen eine gute Nase für die sich abzeichnenden Wachstumschancen gezeigt. Von den üppig mit geliehenem Geld gefüllten öffentlichen Trögen wird die Wirtschaft signifikant profitieren. Insofern ist es kein Wunder, dass gerade der deutsche Aktienmarkt von der angekündigten Spendierlaune der Bundesregierung angestachelt wird. Wesen und Stärke der Finanzmärkte bestehen bekanntlich in der Antizipation künftiger realwirtschaftlicher bzw. politischer Trends. Insofern ist die Vorfreude auf den staatlichen Geldsegen an der Frankfurter Börse derzeit gewaltig. Weniger klar ist, ob der Vollzug des Geldausgebens dann auch die erhofften Effekte auf Wirtschaft und Bürger hat. Ein Blick in die Vergangenheit mahnt zur Skepsis. Die anmaßende und marktwirtschaftlich systemwidrige staatliche Lenkung von Investitionen hat in den letzten Jahren zu enormer staatlicher Vermögensverschwendung geführt. Dabei muss man nicht nur an die gewaltigen Subventionen für sogenannten 'Grünen Stahl' denken, sondern auch an gescheiterte Batteriehersteller wie Northvolt oder Halbleiterfabriken von Intel und Wolfspeed, um nur einige schillernde Beispiele zu nennen.
Wer sich noch an die neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts erinnert, der kennt den Begriff der 'Unreformierbarkeit'. Gemeint war damals der sogenannte 'rheinische Kapitalismus', der unter Kanzler Helmut Kohl zunehmend in einer Aufblähung des Staates zu Lasten privater Initiative und Verantwortung bestand. Es bedurfte dann einer gänzlich neuen Regierung, die ihrerseits zwei Jahre Anlaufzeit verschwendete, ehe Kanzler Gerhard Schröder dann mit der Agenda 2010 endlich den Reformstau von Jahrzehnten durchbrach. Heute ist kein vergleichbarer Reformeifer zu spüren. Vielmehr will man in Berlin mit der Krücke der Staatsverschuldung den Reformnotwendigkeiten aus dem Weg gehen. Ohne die strukturellen Standortbedingungen in Deutschland erheblich zu verbessern, wird es überwiegend zu Mitnahmeeffekten bei den Subventionen (z. B. Steuerprivilegien für teure Elektroautos) kommen. Das Wahlergebnis der Bundestagswahl vom Februar hat aber auch verdeutlicht, dass in der Bevölkerung keine Notwendigkeit durchgreifender Reformen gesehen wird.