ESSEN (dpa-AFX) - Ein geringeres Windaufkommen und ein schwaches Geschäft im Energiehandel haben den Energiekonzern RWE im ersten Halbjahr belastet. Hinzu kam eine Normalisierung beim Terminverkauf von Strom nach den Preiskapriolen der Vergangenheit. Alles in allem fielen die Ergebniseinbußen deutlicher aus als von Analysten geschätzt. RWE-Chef Markus Krebber sieht den Konzern aber auf Kurs: "Wir haben die Hälfte unseres Jahresziels für das bereinigte Nettoergebnis je Aktie erreicht", sagte er laut Mitteilung und bestätigte die Prognose. Anleger waren enttäuscht.
Die Aktie des Dax -Konzerns sackte am Vormittag um 3,3 Prozent ab, womit sich der Abwärtstrend der vergangenen Tage fortsetzte. Das Kursplus seit Jahresbeginn reduziert sich in der Folge auf unter ein Fünftel.
Bernstein-Analystin Deepa Venkateswaran sprach in Reaktion auf das Zahlenwerk von einem "breitangelegten Fehlschlag". Die Halbjahresergebnisse unterstrichen insbesondere die derzeit schwierigen Bedingungen Geschäftsbereiche, wie den Energiehandel und die Flexible Erzeugung. Letztere umfasst bei RWE etwa die Stromerzeugung mit Laufwasser-, Pumpspeicher-, Biomasse- und Gaskraftwerken.
Im ersten Halbjahr sank das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (ber Ebitda) von RWE im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um über ein Viertel auf gut 2,1 Milliarden Euro und damit etwas stärker als vom Unternehmen befragte Analysten geschätzt hatten. Der von Krebber erwähnte bereinigte Nettogewinn lag bei 1,06 Euro je Aktie und soll im Gesamtjahr zwischen 1,80 und 2,50 Euro erreichen.
Die Umstände für die Geschäfte von RWE waren in der ersten Jahreshälfte uneinheitlich: So war das Windaufkommen in Europa außergewöhnlich gering, in den USA dagegen leicht überdurchschnittlich verglichen mit dem langjährigen Mittel und Vorjahr.
Ebenso war der Stromverbrauch in Deutschland leicht rückläufig, während er in den USA stieg. Einer der Gründe waren laut RWE die sich unterschiedlich entwickelnden Wirtschaften, aber auch der Bau neuer energieintensiver Rechenzentren in den Vereinigten Staaten.
Nicht zuletzt ist der Erdgaspreis stark gestiegen, was für RWE in schwächeren Margen im Terminverkauf des Stroms resultierte. Hintergrund ist vor allem eine hohe Energienachfrage: Zunächst seitens der Verbraucher zum Heizen in den relativ kalten vergangenen Wintermonaten. Und zuletzt, erklärte RWE, weil die Speicher wieder befüllt werden müssen und seit Anfang 2025 kein russisches Gas mehr über die Ukraine geliefert wird. So blieben die Preise auch im zweiten Quartal hoch.
Gleichzeitig stecken die Essener viel Geld in den Ausbau ihres Portfolios, insbesondere der erneuerbaren Energien: Von Januar bis Ende Juni investierte RWE 2,5 Milliarden Euro netto. In der Folge stieg die Nettoverschuldung im Vergleich zu Ende 2024 um über 4 Milliarden Euro auf 15,5 Milliarden Euro.
Finanzchef Michael Müller geht aber weiterhin davon aus, dass die Verschuldung im Verhältnis zum operativen Gewinn im Gesamtjahr die selbstgesteckte Obergrenze von 3,0 nicht überschreiten wird. Dies entspricht auch den Erwartungen der Analysten.
Bis Ende des Jahrzehnts will RWE rund 35 Milliarden Euro netto in die Hand nehmen. Das ist ein Viertel weniger als noch geplant war, bevor sich die Rahmenbedingungen verunsicherten durch den Wahlsieg und Vorhaben von Donald Trump.
Mittlerweile hat der US-Präsident zwar etwas mehr Klarheit geschaffen, etwa wie lange noch Steuervorteile für neue Solar- und Windkraftprojekte gewährt werden. Allerdings gibt es Unsicherheit im Hinblick darauf, wann Projekte den sogenannten "Safe-Harbor-Status" erreicht haben, der ihnen die steuerliche Förderung garantiert.
Auch weitere Zölle könnten laut RWE Projekte ungeplant verteuern. Um diese Risiken zu reduzieren, bezieht der Konzern mittlerweile verstärkt Angebote von Herstellern, die in den USA ansässig sind./lew/nas/mis