KOPENHAGEN/FRANKFURT (dpa-AFX) - Ein vorläufiger, behördlich erlassener Baustopp für ein US-Windkraftprojekt hat dem Aktienkurs von Orsted ein Rekordtief eingebrockt. Am Montag stürzten die Titel des Windparkbetreibers bis auf 173,40 dänische Kronen ab. Gegen Mittag stand noch ein Minus von gut 16 Prozent auf 179,30 Kronen zu Buche. Der Kursverlust seit Jahresbeginn summiert sich damit auf knapp 45 Prozent. Vor 14 Tagen hatte schon die angekündigte Kapitalerhöhung um 60 Milliarden Kronen dem Aktienkurs schwer zugesetzt.
Im Sog der aktuellen Nachrichten büßten die Anteile des dänischen Windturbinenherstellers Vestas 4 Prozent auf 132,30 Kronen ein. Vestas liefert die Anlagen für das Projekt. Beim deutschen Energietechnikkonzern Siemens Energy und dem Versorger RWE, die beide auch im Windenergiebereich tätig sind, mussten die Anteilseigner Kursrückgänge von 1,5 beziehungsweise 1,8 Prozent verkraften, was hintere Dax -Plätze bedeutete. Bei RWE belastete zusätzlich eine gestrichene Kaufempfehlung von Kepler Cheuvreux.
Die Papiere des Windkraftanlagen-Herstellers Nordex verbilligten sich am MDax -Ende um 1,5 Prozent, während Orsted-Branchenkollege Energiekontor aus dem SDax ein Kursminus von 2,6 Prozent verzeichnete. Der europäische Versorgerindex schwächelte ebenfalls.
Wie am Wochenende bekannt wurde, hat die US-Regierung von Präsident Donald Trump einen Baustopp für das bereits weit fortgeschrittene Orsted-Windkraftprojekt "Revolution Wind" vor der Küste des Bundesstaats Rhode Island verfügt. Zur Begründung verwies die zuständige Behörde auf neu aufgetretene "Bedenken".
Orsted bekräftigte, das zusammen mit einer Infrastruktur-Tochter des US-Finanzriesen Blackrock betriebene Projekt habe von allen beteiligten Stellen eine vollständige Zulassung. Man prüfe derzeit alle Optionen und sei im Dialog mit den zuständigen Behörden, um den Bau wieder so rasch wie möglich aufnehmen zu können.
Im günstigsten Fall würde der Baustopp innerhalb eines Monats wieder aufgehoben, schrieb Analyst Ahmed Farman vom Investmenthaus Jefferies. In diesem Fall könnten die Dänen die Zeitvorgaben für die Fertigstellung des Projekts halbwegs einhalten, und es würden nur geringe Wertberichtigungen drohen. Bei einer längeren Verzögerung könnten letztere umfangreich ausfallen. Eine komplette Aufgabe des Projekts sei indes unwahrscheinlich, weil dieses zu rund 80 Prozent fertiggestellt sei, so der Experte weiter. Für die anstehende Kapitalerhöhung sei diese Nachrichtenlage allerdings misslich. Orsted ließ am Morgen allerdings wissen, an der Bezugsrechteemission festzuhalten.
JPMorgan-Analyst Javier Garrido nannte den vorläufigen Baustopp eine unerfreuliche Entwicklung. Er rechnet für eine einmonatige Verzögerung mit zusätzlichen Kosten von rund 600 Millionen Kronen. Die Investoren dürften zudem das Risiko eines ähnlichen Baustopps für Orsteds Projekt Sunrise Wind einpreisen. Er habe bereits vergangene Woche vor den ungeachtet Umsetzungsrisiken im Businessplan des Unternehmens gewarnt, die ungeachtet der Kapitalerhöhung existierten, betonte Garrido.
Er verwies indes auch auf die Kritik aus den betroffenen US-Bundesstaaten Rhode Island und Connecticut am aktuellen Baustopp. So habe der Gouverneur von Rhode Island, Dan McKee, erklärt, er und sein Amtskollege Ned Lamont würden "alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die Entscheidung zur Einstellung der Arbeiten an Revolution Wind rückgängig zu machen", das "nur noch wenige Schritte davon entfernt war, mehr als 350.000 Haushalte mit Strom zu versorgen"./gl/nas/mis