
Nvidia bleibt Herzstück des KI-Booms: Hohe Nachfrage im Data-Center-Bereich, wieder freie Exporte nach China und steigende Analystenziele sorgen für Spannung vor dem Quartalsbericht.
Seit zwei Jahren prägt die Explosion der generativen KI das Geschäft von Nvidia. Innerhalb dieses Zeitraums hat sich der Umsatz des Chipherstellers mehr als verdreifacht, der Gewinn vervierfacht - eine beachtliche Entwicklung für ein Unternehmen seiner Größenordnung.
Der für Mittwoch erwartete Quartalsbericht markiert zugleich den zweiten Jahrestag des Wachstums, in dem sich Nvidia vom bekannten Hersteller von Spielechips zu einem zentralen Akteur der Technologiebranche entwickelte. Allein seit Ende 2022, als OpenAI ChatGPT auf den Markt brachte, hat sich der Aktienkurs von Nvidia verzwölffacht. In diesem Jahr legte die Aktie rund 33 Prozent zu.
Trotz der beeindruckenden Performance verlangsamt sich das Wachstum spürbar. Nach fünf aufeinanderfolgenden Quartalen mit dreistelligem Umsatzwachstum in 2023 und 2024 sank das Plus im ersten Quartal dieses Jahres auf 69 Prozent. Für das zweite Quartal erwarten Analysten der LSEG einen Umsatzanstieg von 53 Prozent auf 45,9 Milliarden US-Dollar.
Was den Gewinn angeht, so liegt die Messlatte in etwa genauso hoch wie beim Umsatz. 45 Analysten gehen im Durchschnitt davon aus, dass Nvidia im vergangenen Quartal ein Ergebnis von 1,01 US-Dollar je Aktie erzielt hat. Das entspräche einem Anstieg von 50,75 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal, in dem das EPS bei 0,67 US-Dollar lag.
Wells Fargo rechnet mit besseren Zahlen
Die US-Bank rechnet für das zweite Quartal mit einem Umsatz von 48,2 Milliarden US-Dollar aus, deutlich über den bisherigen 45 Milliarden US-Dollar und auch über dem Konsens von 45,9 Milliarden US-Dollar. Das Data-Center-Segment wird mit 43,1 Milliarden US-Dollar klar über den Markterwartungen erwartet.
Grund für den starken Optimismus der Experten sind starke Nachfrageimpulse, insbesondere im Data-Center-Geschäft, das von den massiven KI-Investitionen der großen Cloud-Anbieter profitiert. Besonders bemerkenswert: Nvidia darf offenbar seine H20-KI-Chips wieder nach China liefern - ein wichtiger Absatzmarkt. Die Zusatzkosten von 15 Prozent für Exporte nach China dürften für Nvidia leicht weitergegeben werden. Gleichzeitig arbeitet das Unternehmen an neuen, Blackwell-basierten China-Produkten, die unterhalb der Exportkontrollgrenzen bleiben und somit keiner Lizenzpflicht unterliegen.
Auch Wedbush ist bullish
Wedbush-Analyst Matt Bryson hat das Kursziel für Nvidia kurz vor der Veröffentlichung der Ergebnisse für das zweite Quartal des Geschäftsjahres 2026 am 27. August um 23 Prozent angehoben. Die Kaufempfehlung für die Aktie bleibt bestehen, das Kursziel steigt von 175 auf 210 US-Dollar. Bryson nennt als Gründe die steigenden Ausgaben der Hyperscaler für KI, die starke Nachfrage nach GPUs und die Aussicht auf eine Erholung der Verkäufe in China.
Ausblick könnte Erwartungen deutlich übertreffen
Es gibt zwar Gegenwind aus der Volksrepublik, allerdings scheinen die chinesischen Konzerne nicht an Nvidia vorbeizukommen. Zumindest geht das aus einem Bericht der Financial Times hervor, nachdem DeepSeek den geplanten Start seiner neuen Version wegen technischer Probleme verschieben musste.
DeepSeek kehrt bei KI-Modell R2 zu Nvidia zurück - Huawei-Chips enttäuschen
Das chinesische KI-Startup DeepSeek wollte mit seinem neuen Modell R2 einen technologischen Durchbruch landen und setzte dabei auf Huaweis eigene Ascend-Chips. Geplant war eine Präsentation bereits im Mai, doch politische Vorgaben und technische Probleme führten zu monatelangen Verzögerungen.
Laut Financial Times zeigten Huaweis Chips im Praxistest Schwächen: Bei hoher Rechenlast kam es zu Leistungseinbrüchen, die Datenverbindungen zwischen den Chips waren zu langsam, und das CANN-Toolkit zur Softwareentwicklung erwies sich als nicht ausgereift genug, um R2 zuverlässig zu trainieren. Selbst mit Unterstützung erfahrener Huawei-Ingenieure ließ sich kein stabiles Trainingssystem aufbauen.
DeepSeek zog die Konsequenzen: Das Training des Modells erfolgt nun wieder auf Nvidia-H20-Chips, während Huaweis Hardware lediglich für die Inferenz - den Einsatz des fertigen Modells - genutzt wird. Damit bleibt der vollständige Einsatz chinesischer Technologie aus.
Der Fall verdeutlicht die Kluft zwischen politischer Zielsetzung und technischer Realität: Trotz staatlicher Unterstützung bleibt Nvidia im Training großer KI-Modelle in Leistung, Stabilität und Software-Ökosystem klar überlegen, so Reuters.
Kommen jetzt noch Bestellungen aus der Golfregion oben drauf?
Das neu gegründete saudi-arabische KI-Unternehmen Humain hat mit dem Bau seiner ersten Rechenzentren in Riad und Dammam begonnen, wie Bloomberg unter Berufung auf Firmenchef Tarek Amin berichtet. Die Standorte sollen Anfang 2026 jeweils über eine Kapazität von bis zu 100 Megawatt verfügen. Humain setzt auf Halbleiter aus den USA, darunter wohl die neuesten KI-Chips von Nvidia, für die das Unternehmen eine Genehmigung der örtlichen Behörden erhalten habe.
Humain wurde im Mai vom Staatsfonds Public Investment Fund (PIF) gegründet und wird von Kronprinz Mohammed bin Salman geleitet. Das Unternehmen bietet KI-Dienstleistungen und -Produkte an, darunter Rechenzentren, KI-Infrastruktur und Cloud-Dienste. Nvidia hatte angekündigt, Hunderttausende von KI-Chips nach Saudi-Arabien zu liefern, zunächst 18.000 Blackwell-Chips an Humain. Parallel arbeitet auch AMD mit Humain zusammen, in einem Deal im Wert von zehn Milliarden Dollar.
Ziel Saudi-Arabiens ist es, die Wirtschaft unabhängiger von Öleinnahmen zu machen und das Königreich zu einer führenden KI-Drehscheibe außerhalb der USA zu entwickeln. Die Ankündigungen stehen im Zusammenhang mit der Reise von US-Präsident Donald Trump in die Golfstaaten im Mai, bei der Saudi-Arabien Zusagen in Höhe von 600 Milliarden Dollar für US-Unternehmen gemacht hatte. "KI ist, wie Strom und Internet, eine wesentliche Infrastruktur für jede Nation", sagte Nvidia-Chef Jensen Huang damals.
Mein Tipp: Beim Ausblick spielt die Musik
Auch wenn Wedbush und Wells Fargo sehr bullish sind bezüglich der anstehenden Quartalszahlen ist es durchaus möglich, dass Nvidia im zweiten Quartal "nur" die sehr hohen Erwartungen der Analysten trifft. Für einige Anleger könnte das auf dem hohen Kursniveau etwas zu wenig sein.
Aber der Ausblick könnte die ganze Sache wieder drehen. Dank der zentralen Position im KI-Bereich, des wachsenden Data-Center-Geschäfts und der wieder möglichen Verkäufe nach China ist weiterhin mit einem stabilem Umsatz- und Gewinnwachstum zu rechnen. Analysten sehen weiterhin Potenzial für Kurssteigerungen, insbesondere wenn die Ergebnisse die Markterwartungen übertreffen und die Nachfrage nach GPUs stabil bleibt.
Hinzu kommt noch die neue Nachfrage aus der Golfregion, die den Ausblick von Nvidia deutlich über die Erwartungen der Experten schnellen lassen könnte. Daher sollten sich Anleger nicht verunsichern lassen, falls der Kurs nach den Zahlen etwas nachgibt. Bei den langfristig guten Aussichten ist ein Rücksetzer eher eine Chance als ein Risiko.
Der Fall bei DeepSeek unterstreicht zudem, welche Ausnahmestellung Nvidia im Markt für KI-Chips besitzt. Der US-Konzern bleibt daher ein Langfrist-Investment - unabhängig von den Zahlen zum zweiten Quartal.
Markus Weingran, Chefredakteur wallstreetONLINE Börsenlounge
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