Vor drei Monaten titelten wir unseren Ausblick mit den Worten "Etwas Entspannung nach dem Zolltheater" und argumentierten, dass neue Allzeithochs bei US-Aktien nur eine Frage der Zeit seien. Seither brachte die Zollsituation mehr Klarheit, Trumps Steuererleichterungen wurden verabschiedet, die Unsicherheit an den Märkten nahm ab. Positive Konjunkturdaten dominierten in Europa und den USA, US-Unternehmensgewinne überraschten nach oben - auch dank des schwachen US-Dollars - und die US-Notenbank senkte trotz zu hoher Inflation erneut die Zinsen. Der Bullenmarkt setzte sich fort - insbesondere US-Aktien eilten von einem Höchststand zum nächsten. Noch besser entwickelten sich jedoch Gold und Silber, befeuert durch Trumps Angriffe auf die Fed. Im vierten Quartal sollten sich die Effekte der Zölle, der US-Einwanderungsbeschränkungen, der expansiven Fiskalpolitik und der fiskalischen Dominanz noch stärker zeigen: In den USA ist mit etwas schwächerem realen, aber robustem nominalen Wachstum und sinkenden Zinsen trotz zollbedingter Inflation zu rechnen. Die jüngste Schwäche des US-Arbeitsmarktes zeigt das Risiko einer schwächeren US-Konjunktur. Für Europa erwarten unsere Volkswirte eine leichte Belebung. Die wieder hohe Positionierung systematischer Anleger macht die Aktienmärkte kurzfristig zwar anfälliger für eine Korrektur. Für die Entwicklung der Märkte bis zum Jahresende wird aber entscheidend sein, ob die Marktteilnehmer Ende des Jahres optimistisch oder pessimistisch in das kommende Jahr blicken. Mit Blick auf 2026 gewinnen die US-Zwischenwahlen an Bedeutung. Angesichts seiner niedrigen Zustimmungswerte benötigt Donald Trump einen robusten Arbeitsmarkt, spürbares Wirtschaftswachstum, einen anhaltenden Bullenmarkt bei Aktien und niedrigere Zinsen. Anleger sollten sich dem nicht entgegenstellen. Die politischen Risiken bleiben damit aber hoch, auch im Hinblick auf Russlands Krieg in der Ukraine. Eine geschwächte Unabhängigkeit der Notenbank, Zinssenkungen trotz steigender Inflation und fiskalische Exzesse sind ein Rezept für hohe Anleiherenditen, eine steilere Zinskurve, einen schwächeren Dollar und eine anhaltende Nachfrage nach knappen Sachwerten. Das größte Risiko ist ein starker Renditeanstieg langlaufender Anleihen, auch in Europa (Großbritannien, Frankreich). Solange dieser ausbleibt, dürfte der Bullenmarkt bei Aktien und Edelmetallen weitergehen. Aktien außerhalb der USA dürften an Bedeutung gewinnen.