
© Foto: Mit freundlicher Genehmigung der Infineon Technologies AG
Da war er wieder, dieser typische Börsentag. Infineon legte gestern Zahlen vor, die man bestenfalls als solide bezeichnen kann. Nichts Weltbewegendes, aber plötzlich steigt die Aktie um über 10 Prozent. Warum?
Weil irgendwo im Geschäftsbericht das Wort KI auftaucht und die Prognose für diesen Bereich kräftig angehoben wurde. Von 1 auf 1,5 Milliarden Euro Umsatz. Die Analysten überschlagen sich mit Begeisterung, Jefferies hängt stur an seinem 48-Euro-Kursziel fest. Ob das realistisch ist, werden wir klären, aber Fakt ist: Das klassische Geschäft mit Autochips läuft weiter mau, die Industrie schwächelt, aber die KI-Geschichte scheint zu ziehen. Infineon hat schon oft bewiesen, dass sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Aber sie haben auch schon enttäuscht. Grund genug, mal genauer hinzuschauen, was wirklich hinter den Zahlen steckt.
Kein Spitzenjahr für Infineon
Das war kein Spitzenjahr für Infineon. Der Umsatz sank um 2 Prozent und das Geschäft mit Chips für erneuerbare Energien ist auch eingebrochen. Ausgerechnet da, wo doch alle von grüner Transformation schwärmen. Auch im wichtigsten Segment, dem Automotive-Bereich, kriselt es. Kein Wunder, wenn die Autobauer selbst nicht wissen, wo die Reise hingeht. Die operative Marge rutschte auf "nur noch" 17,5 Prozent ab. Beim Gewinn blieb gut 1 Milliarde Euro übrig. Das ist deutlich weniger als im Vorjahr. Chef Jochen Hanebeck verpackt es diplomatisch. Die Märkte seien herausfordernd gewesen, sagt er. Was soll er auch sonst sagen? Immerhin bleibt die Dividende wohl doch konstant bei 35 Cent. In Zeiten, in denen andere Konzerne kürzen oder ganz streichen, ist das nicht selbstverständlich. Das 4. Quartal lief dann doch erfreulicher. Der Umsatz stieg auf knapp 4 Milliarden Euro. Das sind 6 Prozent mehr als im Quartal davor. Ein Silberstreif am Horizont, bzw. ein Hoffnungsschimmer - aber auch nicht mehr.
Der KI-Trumpf
Hier kommt eine Story, die die Börse erfreut und dies sie gerne hört. Infineon liefert Stromversorgungslösungen für KI-Rechenzentren. Das hört sich zunächst nach einer Nische an, ist aber ein Milliardenmarkt. Diese Datenzentren saugen Strom wie ein Staubsauger, und ohne die passenden Chips läuft da gar nichts. Die Nachfrage zieht massiv an, und Infineon hat die Prognose entsprechend angepasst. Statt 1 Milliarde Euro sollen es jetzt 1,5 Milliarden werden, nur in diesem Segment. Bis 2030 könnte der Gesamtmarkt auf 8 bis 12 Milliarden anwachsen. Das sind Zahlen, bei denen Analysten Freudentränen in die Augen bekommen. Stephane Houri von Oddo-BHF kann seine Freude kaum verbergen. Jefferies bleibt beim Kursziel von 48 Euro. JPMorgan ist dagegen skeptischer und findet den Ausblick zu vage formuliert. Infineon ist bekannt dafür, sich nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Lieber konservativ planen und dann positiv überraschen.

Charttechnik
Nach dem Kurssprung steht Infineon bei knapp 36,20 Euro. Im Verlauf schon bei 37,84, was der höchste Stand seit August ist. Schafft die Aktie einen sauberen Wochenschluss über 38 Euro, könnte es tatsächlich weitergehen Richtung 48 Euro. Die Chartisten jedenfalls sehen das so. Ob die Realität mitspielt, ist eine andere Frage. Wichtig wäre, dass die Unterstützung bei 36 Euro hält. Fällt die Aktie darunter, war der Ausbruch vermutlich nur ein kurzes Strohfeuer. Bei größeren Rücksetzern sollte spätestens bei 32,50 Euro Schluss sein. Das Handelsvolumen war jedenfalls hoch genug, um zu zeigen, dass viele wieder eingestiegen sind. Auf alle Fälle liegt die Aktie über den beiden wichtigen SMAs (50er und 200er). Damit ist der Trend mittel- und langfristig nach oben gerichtet. Auch der RSI lässt mit einem 62er Wert noch Platz in Richtung Norden.
Was tun?
Wer an die KI-Story glaubt und Geduld mitbringt, kann hier durchaus zugreifen. Infineon ist solide aufgestellt, die Produkte sind gefragt, die Technologie stimmt. Die Bewertung ist nicht übertrieben, und 35 Cent Dividende gibt es obendrauf. Aber es gibt auch die Kehrseite. Die Autoindustrie steckt in der Krise, und ein Ende ist nicht absehbar. Viele Kunden bestellen nur noch kurzfristig, was die Planungssicherheit gegen null tendieren lässt. Der schwache US-Dollar macht zusätzlich Probleme. Dennoch könnte man den Ritt nach oben mit einem geeigneten Stoppkurs z. B. bei 34,50 Euro wagen und Kursziel 48 Euro längerfristig. Aber: Hochspekulativ!
Autor: Felix Goldbach, FinanzNachrichten-Redaktion
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