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Der Kurs der Salzgitter-Aktie macht gerade richtig Freude - und das überrascht nicht nur kleine Anleger, sondern auch die Profis.
Seit Mitte November ist sie um fast 50 Prozent nach oben geschossen. Die 40-Euro-Marke zuletzt mal einfach so kurzfristig geknackt. Selbst die UBS hat ihr Kursziel von 22,50 Euro mal eben auf 50 Euro hochgeschraubt. Das ist mehr als verdoppelt! Und aus "Neutral" wurde "Kaufen". Die Analysten sehen in Salzgitter wohl so was wie den goldenen Schlüssel, wenn die Stahlpreise in Europa wieder anziehen. Aber warum auf einmal diese ganze Euphorie?
Ganz einfach: Es geht um die EU-Importquoten, die womöglich richtig verschärft werden könnten. Wenn Brüssel das wirklich durchzieht und die Quoten um fast 50 Prozent zusammenstreicht, dann sprechen wir hier von über 10 Millionen Tonnen billigem Importstahl, der einfach vom Markt verschwindet. Das würde die europäischen Stahlwerke ordentlich auslasten. Die Preise würden dann durch die Decke gehen. Für Salzgitter wäre das ein Freudenfest, denn schon 10 Euro mehr pro Tonne könnten dem operativen Ergebnis etwa 50 Millionen Euro zusätzlich in die Kasse spülen.
Protektionismus als Gamechanger für die europäische Stahlindustrie
Europas Stahlindustrie hat es echt nicht leicht gehabt die letzten Jahre. Der Wettbewerbsdruck aus Asien war sehr hart. China und Co. haben den Markt mit Billigstahl regelrecht überschwemmt, und die Margen der heimischen Hersteller sind förmlich dahingeschmolzen. Doch jetzt dreht sich der Wind. Die EU-Kommission plant strengere Importquoten, die der Branche neuen Schwung verleihen sollen. Analysten von Berenberg rechnen damit, dass die Preise für Warmbandstahl um rund 100 Euro je Tonne steigen könnten, wenn die Maßnahmen greifen. Das klingt nach viel Theorie, doch die Marktreaktion spricht Bände. Auch die Citigroup lobte die neuen EU-Maßnahmen als entscheidende Triebfeder für die Branche bis 2026. Experten von J.P. Morgan sprachen sogar von einer möglichen Renaissance der europäischen Stahlindustrie. Salzgitter gilt dabei als besonders sensitiv, weil das Unternehmen stark auf den EU-Markt fokussiert ist und eine vergleichsweise hohe Verschuldung aufweist. Das macht die Aktie zum Hebel auf steigende Stahlpreise. Während Wettbewerber wie ArcelorMittal, Voestalpine oder SSAB breiter aufgestellt sind, reagiert Salzgitter überproportional auf Preisveränderungen. Das kann in beide Richtungen funktionieren, bietet aber aktuell enormes Aufwärtspotenzial.

Charttechnik
Aus charttechnischer Sicht präsentiert sich Salzgitter derzeit stark Die Aktie hat eine mehrmonatige Bodenbildung erfolgreich abgeschlossen und befindet sich nun in einem intakten Aufwärtstrend. Der kurze Sprung über die 40-Euro-Marke war ein wichtiges Signal, das viele Anleger aufhorchen ließ. Aktuell liegt sie zwar knapp darunter, aber dennoch rückt jetzt die nächste große Hürde bei 42 Euro in den Fokus. Wird diese Schwelle überwunden, wäre ein neues Mehrjahreshoch erreicht. Dann könnte sich der Weg in Richtung 50 Euro öffnen, wie die UBS-Analysten prognostizieren. Allerdings dürfte dieser Anstieg nicht in einem Zug erfolgen. Der RSI-Indikator zeigt bereits deutliche Überhitzungserscheinungen, was kurzfristige Konsolidierungen wahrscheinlich macht. Anleger sollten also mit Schwankungen rechnen. Wichtig ist, dass die Aktie über der 50-Tage-Linie bleibt, die aktuell als Unterstützung dient. Fällt der Kurs darunter zurück, könnte eine größere Korrektur drohen. Solange die Linie aber hält, bleibt das Chartbild positiv.
Zusätzliche Fantasie durch Beteiligungen und Restrukturierung
Neben der Stahl-Story bietet Salzgitter noch weitere Kurstreiber. Das Unternehmen hält rund 30 Prozent an Aurubis, deren Bewertung die UBS zuletzt deutlich angehoben hat. Allein dieser Beteiligungswert stützt die Fantasie für die Salzgitter-Aktie. Zudem steht ein möglicher Verkauf der Anlagenbau-Tochter KHS im Raum. Medienberichten zufolge könnte der Erlös zwischen 740 und 890 Millionen Euro liegen. Ein solcher Schritt würde die Nettoverschuldung massiv senken und die Konzernstruktur deutlich vereinfachen.
Was tun?
Salzgitter bietet aktuell eine spannende Mischung aus fundamentaler Fantasie und charttechnischem Momentum. Die mögliche Verschärfung der EU-Importquoten könnte der Aktie massiven Rückenwind geben. Die Beteiligung an Aurubis und ein möglicher Verkauf der KHS-Tochter liefern zusätzliche Argumente. Charttechnisch ist das Bild intakt, auch wenn kurzfristige Konsolidierungen wahrscheinlich sind. Das Risiko sollte man aber nicht unterschätzen. Die hohe Verschuldung macht Salzgitter anfällig für Rückschläge, und die Stahlbranche bleibt volatil. Sollten die EU-Maßnahmen schwächer ausfallen als erhofft oder die globale Nachfrage einbrechen, könnte die Rally schnell vorbei sein. Langfristig orientierte Investoren können bei Rücksetzern in Richtung 35 Euro über einen Einstieg nachdenken.
Autor: Felix Goldbach, FinanzNachrichten-Redaktion
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