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Die deutsche Autoindustrie steckt in der Krise. Während BMW, Mercedes und Porsche noch versuchen, Zeit zu gewinnen, wagt Volkswagen den radikalen Schnitt. CEO Oliver Blume will die heilige Kuh schlachten. Die traditionsreiche VW-Kernmarke soll ihre Vormachtstellung verlieren. Nach 90 Jahren Konzerngeschichte steht die größte Revolution bevor. Doch kann dieser verzweifelte Befreiungsschlag den Wolfsburger Riesen noch retten? Die Zahlen sprechen eine brutale Sprache. 14 Millionen Fahrzeuge Kapazität treffen auf nur noch 9 Millionen erwartete Verkäufe. 30.000 Jobs hängen am seidenen Faden. Der Countdown läuft.
Blumes Radikalkur
Die Pläne klingen wie Science-Fiction für VW-Veteranen. Oliver Blume will die mächtige Kernmarke Volkswagen auf Augenhöhe mit Skoda, Seat, Audi und Porsche stellen. Eine verschlankte Holding soll künftig alle Marken gleichberechtigt unter einem Dach vereinen. Die bisherige Hierarchie, bei der VW als Premiummarke über allem thronte, gehört der Vergangenheit an. Diese Revolution hat einen simplen Grund: Das Unternehmen erstickt an seinen eigenen Strukturen. Finanzchef Arno Antlitz gab bereits das Scheitern der bisherigen Strategie zu. Die herkömmlichen Sparprogramme verpuffen wirkungslos. Die Überkapazitäten fressen jeden erwirtschafteten Cent auf. Während die Fabriken für 14 Millionen Autos ausgelegt sind, rechnet der Konzern mittelfristig nur noch mit 10 Millionen produzierten Einheiten. Diese Diskrepanz treibt die Kosten pro Fahrzeug in astronomische Höhen. Der Druck im Management wächst täglich. Blumes ruhiger Führungsstil wird intern zunehmend kritisiert. Die Führungsebenen fordern schnelle Taten statt endloser Analysen und blabla. Ohne diesen radikalen Schritt droht dem Konzern die nächste existenzbedrohende Krise.
Jobverlust und Werkschließungen
Die sozialen Folgen der geplanten Revolution sind verheerend. Bis zu 30.000 Arbeitsplätze stehen auf der Kippe. Zwar konnte der Betriebsrat die angekündigten Schließungen der Werke Emden und Zwickau vorerst abwenden, doch die Gefahr ist längst nicht gebannt. Aus Managementkreisen heißt es: "Wir hätten gerne schon in der letzten Sparrunde Emden oder Zwickau dichtgemacht." Die Gewinnzahlen des zweiten Quartals verschärften die Lage dramatisch. Ein Einbruch um mehr als ein Drittel zwang das Management zum Handeln. Gleichzeitig musste die Jahresprognose erneut nach unten korrigiert werden. US-Importzölle, hohe Restrukturierungskosten und der Margendruck durch die E-Mobilität würgen den Konzern ab. Diese Schwäche lockt Spekulanten an, die auf weitere Kursverluste setzen. Der Teufelskreis aus sinkenden Aktienkursen und schwindender Investorenzufriedenheit beschleunigt sich.
Charttechnik
Aus charttechnischer Sicht ist auch die VW Aktie ein Desaster. Nach einem kurzen Aufflackern und so etwas wie Hoffnung, als der Kurs wieder vor kurzem über die 100er Marke kletterte, weicht diese der Hoffnungslosigkeit, der Ernüchterung und ein Stück weit der Trauer und Wut. Die Aktie ist wieder im Abwärtstrend. Sowohl mittel- als auch langfristig, denn beide SMAs (50er und 200er) liegen oberhalb des aktuellen Kurses. Das 52-Wochen-Tief liegt bei 73,90 Euro, einem Niveau, das bei weiteren negativen Nachrichten schnell wieder erreicht werden könnte. Und dann wäre nach unten noch Potenzial in Richtung unter 70 Euro. Das wäre wie wenn man in ein schwarzes Loch schaut, aus dem keine Sonne mehr scheint. Die letzte Handelswoche brachte Verluste von über 10 Prozent. Die Unterstützungszone um 86-88 Euro wurde bereits mehrfach getestet. Ein nachhaltiger Durchbruch nach unten würde weiteres Verkaufspotenzial freisetzen und dann wären wir schon bei dem Test des obigen 52-Wochen-Tiefs. Erst oberhalb von 95 Euro könnte sich die technische Lage wieder stabilisieren. Aber danach sieht es derzeit nicht aus.
Was tun?
Finger weg von VW könnte die Devise lauten. Finger weg von deutschen Autobauer-Aktien. Die fundamentale Analyse spricht derzeit eine relativ klare Sprache gegen ein Investment. Zwar plant Oliver Blume eine historische Neuausrichtung, doch die Erfolgschancen bleiben ungewiss. Die Umsetzung könnte Jahre dauern und hohe Kosten verursachen. Gleichzeitig verschärft sich der Wettbewerb durch chinesische Hersteller und Tesla täglich. Die deutschen Autobauer haben den Anschluss verloren, so scheint es. Die Technik bei den Elektroautos ist in chinesischer Hand. Die Akkus, das Herzstück eines E-Autos, wird zum Großteil in China hergestellt. Dieser Teil der Wertschöpfungskette ist schon einmal verloren gegangen. Es sieht echt düster aus. Auch VW dürfte sich dem Abwärtsstrudel nur schwer entziehen können. Die Quartalszahlen offenbaren schonungslos die strukturellen Probleme des Konzerns. Überkapazitäten, sinkende Margen und hohe Restrukturierungskosten belasten das Ergebnis nachhaltig. Aus charttechnischer Sicht droht ein weiterer Absturz unter die 88-Euro-Marke. Dann könnte auch die 78,90 Euro fallen und dann wäre nach unten hin vieles offen.
Autor: Felix Goldbach, FinanzNachrichten-Redaktion
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