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Die Hamburger Biotechfirma Evotec kämpft ums Überleben. Das traditionelle Geschäft mit der Wirkstoffforschung bricht weg, während die hochgelobte Biologics-Sparte den Kollaps wohl nicht aufhalten kann.
Die Halbjahreszahlen entlarven ein Unternehmen vor der Entscheidung. Die Altlasten erdrücken die Zukunftshoffnungen. CEO Christian Wojczewski verspricht Besserung, doch die Zeit läuft ab. Investoren haben bereits mehr als 80 Prozent ihrer Investition verloren, je nachdem wo sie eingestiegen sind. Mit großen Ausschlägen wankt die Aktie von Krise zu Krise. Das vierte Mal könnte sich der Kurs der kritischen Fünf-Euro-Marke nähern. Ein Durchbruch nach unten würde das Vertrauen endgültig erschüttern. Die Frage ist aktuell augenscheinlich nicht mehr ob, sondern nur noch wann der große Absturz kommt.
Das Kerngeschäft blutet aus
Die Zahlen zum ersten Halbjahr sprechen eine deutliche Sprache. Der Gesamtumsatz rutschte auf 371 Millionen Euro ab. Besonders schmerzhaft ist , dass das Herzstück des Unternehmens, die frühe Wirkstoffforschung, satte 11 Prozent verlor und auf 269 Millionen Euro schrumpfte. Pharmaunternehmen halten derzeit ihre Geldbörsen zu, neue Projekte werden verschoben oder ganz gestrichen. Doch es gibt auch gute Nachrichten. Die Biologics-Tochter Just-Evotec glänzt mit einem Umsatzplus von 16 Prozent. Dieser Bereich entwickelt sich zum neuen Hoffnungsträger. Das Wachstum kommt nicht nur von den bisherigen Großkunden Sandoz und dem US-Verteidigungsministerium. Neue Auftraggeber sorgen für breitere Schultern. Das bereinigte EBITDA rutschte zwar ins Minus, aber der Verlust konnte deutlich reduziert werden. Von 75 Millionen Euro Halbjahresverlust im Vorjahr auf heute niedrigere Werte. Wojczewski und sein Team arbeiten hart an der Kostenfront. Das 60-Millionen-Euro-Sparprogramm zeigt erste Wirkung, wenn auch derzeit nur spärlich.
Charttechnik
Charttechnisch gesehen steht Evotec aber kurz vor dem Abgrund. Bei aktuell 6,49 Euro nähert sich die Aktie bereits zum vierten Mal der psychologisch wichtigen Fünf-Euro-Marke. Ein erneuter Test dieser Unterstützung könnte diesmal fatal enden. Dreimal hat diese Linie gehalten, doch beim vierten Anlauf droht der endgültige Durchbruch nach unten. Der Titel liegt dramatisch unter seinem Allzeithoch. Der 200-Tage-SMA bei 7,54 Euro wirkt wie eine unüberwindbare Barriere nach oben. Jeder Erholungsversuch wird gnadenlos abverkauft. Nach dem Absturz im Juli erholte sich die Aktie kurz, nur um danach wieder brutal abzustürzen. Mit einer extrem hohen Volatilität gehört Evotec zu den "gefährlichsten" bzw. riskantesten Werten im MDAX. Die Schwankungen sind immer heftig, die Abstände zwischen Hoch und Tief auch. Selbst risikofreudige Zocker dürften hier vorsichtig sein. Der RSI deutet mit einem Wert von 37 auch schon den Trend gen Süden an. Platz nach unten ist noch vorhanden. Spätestens beim Test der 5 Euro wird es hochgradig brenzlig.
Wandel zum Biologics-Spezialisten
Der Konzern will sich von einem traditionellen Auftragsforscher zu einem modernen Biologics-Spezialisten wandeln. Dieser Prozess dauert und kostet Geld. Die Prognose für das Gesamtjahr bleibt bei bis zu 800 Millionen Euro Umsatz. Das bereinigte EBITDA soll zwischen 30 und 50 Millionen Euro liegen. Auch recht breit gefächert. Der geplante Verkauf des Toulouse-Standorts an Sandoz könnte 300 Millionen US-Dollar in die Kasse spülen. Doch noch steht nur eine unverbindliche Vereinbarung. Die Mitarbeiter haben ein Vorkaufsrecht und die Behörden müssen noch zustimmen. Erst im vierten Quartal wird Klarheit herrschen. Wojczewski hat in seinem ersten Jahr als CEO radikale Schnitte gemacht. Standorte wurden geschlossen, das Projektportfolio um 30 Prozent reduziert. Die Fokussierung auf hochwertige Dienstleistungen und profitable Therapiegebiete soll künftig Früchte tragen.
Was tun?
Evotec ist zur Wette auf ein Wunder geworden. Die fundamentalen Probleme haben sich so tief in das Unternehmens gefressen, dass selbst die beste Strategie wahrscheinlich Jahre brauchen wird. Das Kerngeschäft stirbt langsam aber sicher. Erst 2026 rechnet das Management mit einer Erholung, falls überhaupt. Die Biologics-Sparte wächst zwar, doch sie ist wohl viel zu klein, um das sinkende Schiff zu retten. Der geplante Verkauf des Toulouse-Standorts könnte zwar Geld bringen, aber nur falls die komplizierte Transaktion überhaupt zustande kommt. Zu viele Unwägbarkeiten, zu wenige Sicherheiten. Charttechnisch steht anscheinend das Schlimmste noch bevor. Die vierte Annäherung an die Fünf-Euro-Marke könnte den finalen Durchbruch nach unten bedeuten. Dann wären Kurse von drei oder vier Euro realistisch. Das Kursziel von 9,70 Euro der Warburg Bank wirkt wie ein schlechter Scherz. Selbst hartgesottene Spekulanten sind hier wohl außen vor. Wir würden derzeit einen großen Bogen um die Aktie machen.
Autor: Felix Goldbach, FinanzNachrichten-Redaktion
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