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Die großen Investmentbanken feiern Adidas plötzlich als eine Art Schnäppchen und sprechen von einer historischen Fehlbewertung.
Doch der Blick hinter die Kulissen offenbart ernste strukturelle Schwächen, die der jüngste Kurssprung nicht wegdiskutieren kann. Während Jefferies und J.P. Morgan optimistische Töne anschlagen, kämpft der deutsche Sportriese weiterhin mit fundamentalen Herausforderungen. Die US-Zölle belasten das Ergebnis mit 200 Millionen Euro und Nike bleibt der überlegene Konkurrent. Der Quartalsbericht Ende Oktober wird zeigen, ob die Analysten-Euphorie berechtigt ist oder sich als teure Illusion entpuppt.
Analysten-Optimismus ignoriert die harte Realität
Die Wall Street zeigt sich plötzlich verliebt in Adidas. Jefferies stufte die Aktie von "Hold" auf "Buy" hoch, Warburg Research nahm den Konzern in die Conviction List auf und J.P. Morgan bekräftigte das Overweight-Rating. Das klingt nach einer geschlossenen Front der Finanzexperten. Doch bei genauerer Betrachtung bröckelt die Fassade. Jefferies senkte das Kursziel von 250 auf 220 Euro. Ein Rückgang um 12 Prozent. J.P. Morgan folgte diesem Beispiel und reduzierte das Ziel von 250 auf 236 Euro. Diese Korrekturen sprechen eine andere Sprache als die optimistischen Headlines. Die Analysten rudeln zurück, nachdem ihre früheren Prognosen von der Realität überholt wurden. Der Analyst von Jefferies spricht von einem "brutalen Wertverlust" bei Adidas. Eine ehrliche Einschätzung, die aber gleichzeitig die Schwäche des Unternehmens unterstreicht. Der Aktienkurs verlor seit Jahresbeginn deutlich und bewegt sich nur wenige Prozent über dem 52-Wochen-Tief. Das sind keine Zahlen, die Vertrauen schaffen.
Strukturelle Probleme werden unterschätzt
Die US-Zölle fressen bereits jetzt Millionen aus der Bilanz. Allein im zweiten Halbjahr rechnet Adidas mit zusätzlichen Kosten von 200 Millionen Euro durch Abgaben auf Importe aus Vietnam und Indonesien. Diese Belastung wird sich nicht in Luft auflösen, sondern die Margen dauerhaft unter Druck setzen. Noch beunruhigender ist die wachsende Abhängigkeit von der Terrace-Produktlinie. Diese Retro-Schuhe trugen maßgeblich zum Umsatzwachstum bei, zeigen aber bereits Sättigungstendenzen. Wenn dieser Trend kippt, steht Adidas ohne adäquaten Ersatz da. Die Analysten spielen diese Gefahr herunter, doch die Mode-Zyklen im Sneaker-Geschäft sind unberechenbar und oft brutal kurz. Der Vergleich mit Nike entlarvt weitere Schwächen. Während der US-Konkurrent trotz eigener Probleme eine deutlich höhere Marktkapitalisierung aufweist, kämpft Adidas um jeden Prozentpunkt Marktanteil. Die Bewertungslücke zwischen beiden Unternehmen besteht nicht ohne Grund. Nike hat die stärkere Marke und das bessere Produktportfolio.
Charttechnik
Aus technischer Sicht präsentiert sich Adidas in einer hochbrisanten, aber auch hochkritischen Phase. Der Kursanstieg auf zuletzt 172 Euro brachte die Aktie zwar über einen wichtigen Widerstand, doch dieser Ausbruch wirkt sehr zerbrechlich. Die hohe Volatilität der vergangenen Monate hat das Vertrauen der Investoren wohl nachhaltig erschüttert. Der Starke Absturz Ende Juli/ Anfang August hat auch im Chart richtig reingehauen. Das Chartbild zeigt eine Serie von gescheiterten Erholungsversuchen. Jeder Aufwärtsimpuls wurde in den vergangenen Monaten wieder abverkauft. Die aktuelle Bewegung könnte das gleiche Schicksal erleiden, zumal sie hauptsächlich auf Analysten-Kommentaren basiert und nicht auf verbesserten Fundamentaldaten. Die Unterstützung bei 160 Euro hielt bisher, doch ein Bruch würde den Weg zu noch tieferen Kursen öffnen. Der übergeordnete Abwärtstrend ist intakt, und ein einzelner Handelstag ändert daran wenig. Der Kurs notiert unterhalb der beiden wichtigen SMAs (50er und 200er) und auch der RSI notiert wohl zu Recht bei schwachen 35 Punkten.
Was tun?
Die aktuellen Entwicklungen sprechen eher gegen ein Investment in Adidas. Die strukturellen Herausforderungen überwiegen die kurzfristigen positiven Impulse. Die US-Zölle belasten die Profitabilität nachhaltig, während die Abhängigkeit von der Terrace-Linie ein nicht zu verachtendes Risiko darstellt. Die jüngsten Quartalszahlen zeigten zwar eine stabile operative Performance, doch die Währungseffekte drückten das Ergebnis. Diese Abhängigkeit von Wechselkursschwankungen macht Prognosen schwierig und erhöht die Unsicherheit für Investoren. Der Quartalsbericht Ende Oktober wird zum Stresstest und zur Bewährungsprobe. Sollte Adidas die hochgeschraubten Erwartungen der Analysten verfehlen, droht ein erneuter Kursrutsch. Unter 160 Euro könnte es sogar in Richtung 120 - 125 Euro gehen. Vorsicht ist wohl angebracht!
Autor: Felix Goldbach, FinanzNachrichten-Redaktion
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