In diesem Monat werfen die Experten einen Blick auf Ertrags- und Wertzuwachschancen am britischen Markt, die bisherige Bilanz der Europäischen Zentralbank beim Kampf gegen die Inflation sowie die Wachstumsaussichten in China.
08.09.2025 -
Chris Iggo, CIO Core: Ertrags- und Wertzuwachschancen im Vereinigten Königreich In schwächelndes Wachstum, die hartnäckige Inflation und haushaltspolitische Herausforderungen haben das Vertrauen in Großbritannien erschüttert. Dennoch konnte der Leitindex FTSE 100 jüngst ein neues Allzeithoch erklimmen. Wie auch anderswo ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis des britischen Markts in den letzten drei Jahren gestiegen. Im Vergleich zu anderen Märkten sehen die Bewertungen jedoch nach wie vor günstig aus: Derzeit liegt sein KGV bei lediglich 12,8, während es beim S&P 500 22,5 und beim Euro Stoxx 14,3 beträgt. Auch die Gewinnprognosen je Aktie sind bei Large- und Mid-Cap-Indizes in diesem Zeitraum vorgerückt, was die Renditeerwartungen untermauert. Einen enormen Beitrag zur Rendite britischer Aktien steuerten jedoch auch die Erträge bei. In den letzten 20 Jahren beliefen sich die Gesamtrenditen (einschließlich Dividenden) auf mehr als das Doppelte der reinen Kursrenditen, wobei die Dividendenrenditen im Durchschnitt über 3,5 % ausmachten. Angesichts des festeren Wachstums, der potenziell rückläufigen Inflation und der Realrenditen von britischen Gilts auf Mehrjahreshochs bietet das Vereinigte Königreich trotz der bedrückenden Konjunkturschlagzeilen sowohl bei Aktien als auch bei Anleihen Ertrags- und Wertzuwachschancen.
Alessandro Tentori CIO Europe: Bewertung der EZB-Geldpolitik
In nur zwölf Monaten haben sich die Zinsen in der Eurozone halbiert, und aus der Sicht der Währungshüter der Europäischen Zentralbank (EZB) ist deren Kurs nunmehr nahe oder zumindest näher an einem neutralen Niveau angelangt. Um zu beurteilen, wie nahe der EZB-Leitzins diesem neutralen Punkt gekommen ist, können wir das Gefälle zwischen den Zinssätzen und der Kerninflation heranziehen. Vor einem Jahr standen die Zinsen bei 4 % und die Kerninflation bei 2,9 %. Dieser Abstand ist kleiner geworden: Heute belaufen sich die Zinsen auf 2 % und die Kerninflation auf 2,3 %. Ein weiteres aussagekräftiges Indiz sind die Forward-Kurven. Vor einem Jahr notierten die Ein-Jahres- und Fünf-Jahres-Euro-Terminzinssätze für kurze Laufzeiten 100 Basispunkte (Bp.) bzw. 150 Bp. unter dem Einlagenzinssatz. Die heutigen Zinssätze liegen jedoch genau zwischen diesen Terminzinssätzen, wobei der Ein-Jahres-Terminzinssatz 20 Bp. unter dem Einlagenzinssatz und der Fünf-Jahres-Terminzinssatz 50 Bp. darüber liegt. Hier ist anzumerken, dass das potenzielle Wachstums- und Inflationsziel der Eurozone bei 2,75 % liegen dürfte. Damit ist ein langfristiger Leitzins von rund 2,5 % nicht allzu weit vom neutralen Niveau entfernt.
Ecaterina Bigos CIO Asia ex-Japan China: Steigende Desinflationsrisiken
In China bestand das Deflationsumfeld im Juli weiter fort - im 34. Monat in Folge, wobei sich der Erzeugerpreisindex (PPI) nicht vom Fleck rührte. Die anhaltende Schwäche des PPI lässt Sorgen über Überkapazitäten aufkeimen und wirkt sich auf die Exportpreise aus. Dies erhöht das Risiko eines Deflationsexports und stellt letztlich das Wachstum in anderen Ländern mit einem hohen Anteil an verarbeitendem Gewerbe in Frage. Bislang wird dies weitgehend stillschweigend geduldet, da viele Importländer weiterhin mit einer erhöhten Inflation zu kämpfen haben. Sobald sich deren Inflationsraten wieder in den Zielspannen bewegen, könnte sich das Blatt jedoch wenden. Der anhaltend schwache Binnenkonsum und die starke Produktion in China bergen dauerhafte Desinflationsrisiken, und ein schwächerer Renminbi könnte sich als ein weiterer Kanal entpuppen, über den die Deflation auf andere Märkte überschwappt. China verfügt in einer Vielzahl an Sektoren über eine hohe Exportwettbewerbsfähigkeit, von der Technologie bis hin zu Grundmetallen. Dass sich sein Handel zunehmend von den USA auf europäische und asiatische Volkswirtschaften verlagert, macht diese anfälliger für einen höheren chinesischen Wettbewerbsdruck. Zugleich bekommen die Schwellenländer zunehmend einen potenziell desinflationären Impuls zu spüren, da in ihnen lebenswichtige Grundgüter einen größeren Teil der Warenkörbe ausmachen, die die Verbraucherpreisindizes (VPI) abbilden, und ein höherer Anteil des Konsums auf Importe aus China entfällt.