
© Foto: Mit freundlicher Genehmigung der Nestlé Deutschland AG
Der Schweizer Lebensmittelriese war jahrzehntelang die sichere Bank im Depot. Anleger vertrauten auf stetige Kursgewinne und verlässliche Dividenden.
Doch ein Blick auf den Chart der letzten zehn Jahre offenbart eine ernüchternde Wahrheit: Die Notierungen dümpeln bestenfalls seitwärts. Was früher als solides Basisinvestment galt, kämpft heute mit Wachstumsschwäche und internen Turbulenzen. Jetzt soll ein neuer Chef mit radikalen Maßnahmen die Wende bringen. 16.000 Stellen fallen weg, Milliarden werden eingespart. Die Börse reagierte zunächst euphorisch auf die harten Schnitte. Doch kann ein Sparkurs allein die alte Stärke zurückbringen? Oder ist Nestle auf dem Weg, seinen Status als Qualitätsaktie endgültig zu verlieren?
Harter Schnitt unter neuer Führung
Philipp Navratil hat das Ruder erst vor wenigen Wochen übernommen. Seine erste große Ankündigung saß: Rund 6 Prozent der gesamten Belegschaft müssen gehen. Bis Ende 2027 sollen 3 Milliarden Franken eingespart werden. Das ursprüngliche Sparziel wurde damit glatt verdoppelt. Der neue Chef macht ernst. Nach Jahren des Durchwurstelns und einer peinlichen Führungskrise zeigt die Konzernspitze endlich Entschlossenheit. Sein Vorgänger Laurent Freixe war wegen einer verheimlichten Beziehung und Begünstigungsvorwürfen nach nur einem Jahr wieder weg. Davor musste schon ein anderer CEO seinen Hut nehmen. Die Märkte honorierten Navratils Radikalkur zunächst mit einem Kurssprung von fast 10 Prozent. Anleger schienen erleichtert, dass endlich jemand durchgreift.
Hoffnugnsvolle Zahlen
Das dritte Quartal 2025 brachte immerhin etwas Licht ins Dunkel. Mit 4,3 Prozent organischem Wachstum übertraf Nestle die Erwartungen. Vor allem Preiserhöhungen von 2,8 Prozent trugen dazu bei. Kaffee und Süßwaren liefen gut. In den ersten neun Monaten lag das Plus bei soliden 3,3 Prozent. Der Umsatz erreichte 65,87 Milliarden Franken. Auch die Verkaufsmengen zogen wieder an. Das zeigt: Die Kunden akzeptieren die höheren Preise noch. Die starke Marktposition trägt. Aber der Wettbewerb bleibt hart. Viele Verbraucher greifen zu günstigeren Alternativen. Das Sentiment ist angespannt. Analysten von Barclays hoben ihr Kursziel auf 90 Franken an. Die Deutsche Bank blieb bei ihrer Einschätzung. Beide Institute bleiben aber vorsichtig. Die große Frage steht im Raum: Reichen Einsparungen für dauerhaftes Wachstum?
Charttechnik
Charttechnisch präsentiert sich ein trauriges Bild. Seit zehn Jahren bewegt sich der Kurs, abgesehen von Aufs und Abs, aber vom Kurs her nahezu neutral. Von nachhaltigem Aufwärtstrend keine Spur. Zwar gab es immer wieder kurze Erholungen. Doch echte Ausbrüche nach oben blieben aus. Die jüngste Rally nach den Quartalszahlen brachte die Aktie auf den höchsten Stand seit Mitte Juni. Bei rund 83 Franken war aber erst mal Schluss. Der Abstand zum Mehrjahreshoch bleibt groß. Die Unterstützung bei 70 Franken hielt in schwachen Phasen. Aber eine echte Trendwende ist chartechnisch noch nicht bestätigt. Dafür müssten nachhaltige Impulse her. Die Indikatoren zeigen keine klare Richtung. Anleger warten ab.
Dividende als letzter Anker
Immerhin die Ausschüttung stimmt noch. Mit 4,2 Prozent Rendite gehört Nestle zu den attraktiveren Dividendentiteln. Seit über 25 Jahren steigt die Ausschüttung kontinuierlich. Der Status als Dividendenaristokrat bleibt intakt. Allerdings hat sich das Wachstum der Dividende zuletzt verlangsamt. Große Sprünge sind nicht mehr drin. Die Nettoverschuldung von 60 Milliarden Franken drückt. Das entspricht dem 2,9-Fachen des operativen Gewinns. Um die Schuldenlast zu senken, denkt das Management über Verkäufe nach. Das Mineralwassergeschäft könnte gehen. Auch die Beteiligung an L'Oréal steht auf dem Prüfstand. Experten schätzen, dass sich so bis zu zehn Milliarden Franken erlösen ließen.
Was tun?
Die aktuellen Quartalszahlen machen zwar Mut. Auch die Entschlossenheit des neuen Chefs stimmt positiv. Doch die fundamentalen Probleme lösen sich nicht über Nacht. Der Schuldenabbau braucht Zeit. Die Restrukturierung kostet Geld und Nerven. Ob die erhofften Einsparungen wirklich kommen, muss sich erst zeigen. Charttechnisch fehlt der überzeugende Ausbruch. Die Dividende ist solide, aber kein Wachstumstreiber mehr. Für konservative Anleger bleibt die Aktie interessant. Wer auf Nummer sicher gehen will, wartet noch ab. Die nächsten Quartale werden zeigen, ob Navratils Kurs aufgeht. Wer bereits investiert ist, kann die Position halten. Das Chance-Risiko-Verhältnis ist aktuell ausgeglichen. Von den alten Zeiten als sicheres Basisinvestment ist Nestle aber einiges entfernt.
Autor: Felix Goldbach, FinanzNachrichten-Redaktion
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