
Novo Nordisk und Eli Lilly waren Vorreiter bei Abnehmmitteln. Beiden wurde eine große Zukunft vorhergesagt. Doch die Konkurrenz ist größer geworden und nur Lilly konnte liefern. Eine Bestandsaufnahme der Branche!
Der globale Markt für Adipositas-Medikamente, dessen Volumen bis zum nächsten Jahrzehnt auf 150 Milliarden US-Dollar geschätzt wird, befindet sich im Umbruch. Novo Nordisk hat trotz seines anfänglichen Vorsprungs Schwierigkeiten, mit dem US-Konkurrenten Eli Lilly Schritt zu halten.
Dies führte beim dänischen Arzneimittelhersteller zu einer Reihe von Ereignissen im Unternehmen, darunter einem Kurseinbruch, einem CEO-Wechsel und Umstrukturierungen im Vorstand. Während Eli Lilly als erster Pharmakonzern die Marke von einer Billion US-Dollar kurzfristig geknackt hat, notiert die Aktie von Novo Nordisk mehr als 50 Prozent unter ihrem Allzeithoch. Können die Dänen wieder aufholen oder werden sie sogar von der Konkurrenz überholt?

Novo Nordisk - der Vorreiter
Der dänische Pharmakonzern Novo Nordisk arbeitet intensiv an der nächsten Generation seiner Adipositas-Medikamente. Im Fokus stehen dabei mehrere experimentelle Präparate, darunter eine neue Tablettenform, eine Injektion der nächsten Generation namens Amycretin und das weitere Mittel CagriSema.
Nachdem Novo Nordisk einen Rückschlag durch negative Ergebnisse einer Phase III Studie gegen die Krankheit Alzheimer erleiden musste, konnten Studienergebnisse zum neuen Wirkstoff Amycretin wieder einen Teil der Kohlen aus dem Feuer holen. Der Pharmakonzern teilte mit, dass Patienten mit Typ-2-Diabetes in einer klinischen Phase-2-Studie innerhalb von 36 Wochen eine Gewichtsreduktion von bis zu 14,5 Prozent erzielten.
Amycretin gilt als ein Kandidat der nächsten Generation und zeichnet sich durch seine duale Wirkweise aus, die gleichzeitig auf das Darmhormon GLP-1 und das Bauchspeicheldrüsenhormon Amylin abzielt. Diese neue Entwicklung wird strategisch als Nachfolgekandidat für den Blockbuster-Wirkstoff Semaglutid (bekannt durch die Präparate Wegovy und Ozempic) positioniert, dessen Patente voraussichtlich um das Jahr 2031 auslaufen. Die entscheidenden Studien der dritten und letzten Entwicklungsphase sollen nach Unternehmensangaben im kommenden Jahr beginnen.
Das Präparat CagriSema, welches als potenter Nachfolger von Wegovy gehandelt wird, lieferte in zwei separaten Studien der späten Phase Daten, die hinter den Erwartungen zurückblieben. Obwohl übergewichtige Probanden in einer dieser Studien 22,7 Prozent ihres Gewichts verloren, lag dieser Wert unter der von Novo angestrebten Marke von 25 Prozent. Ungeachtet dessen plant Novo Nordisk, CagriSema im ersten Quartal 2026 bei den Regulierungsbehörden zur Zulassung einzureichen.
Ergänzend zu diesen intern entwickelten Produkten hat Novo Lizenzvereinbarungen für weitere Medikamente in früheren Testphasen abgeschlossen. Dazu zählt ein Geschäft im Wert von bis zu 2 Milliarden US-Dollar mit dem chinesischen Unternehmen United Laboratories für dessen "Triple-G"-Medikamentenkandidaten, der auf die Adressierung von drei verschiedenen Hormonen abzielt.
Eli Lilly - der aktuelle Platzhirsch
Der US-Pharmariese konnte als erstes Pharmaunternehmen kurzfristig eine Marktkapitalisierung von einer Billion US-Dollar erreichen. Angetrieben wurde der Kurs durch die stark steigende Nachfrage nach seinen Adipositas-Medikamente, bei denen ein Nachfolger schon in den Startlöchern steckt.
Lilly bringt seinen experimentellen, einmal wöchentlich zu verabreichenden Amylin-basierten Adipositas-Wirkstoff, Eloralintide, im Dezember in die späte Studienphase voran, nachdem er Patienten in der mittleren Phase der Studie geholfen hatte, bis zu 20,1 Prozent ihres Gewichts zu verlieren.
Der Pharmakonzern Lilly veröffentlichte im August Daten zur Wirksamkeit seiner experimentellen Abnehmpille Orforglipron. Demnach führte die Einnahme der Höchstdosis von 36 Milligramm bei übergewichtigen Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes in einer fortgeschrittenen Studie über 72 Wochen zu einer Gewichtsreduktion von durchschnittlich 10,5 Prozent.
Frühere Studienergebnisse des US-Konzerns unterstrichen bereits die Wirksamkeit: So half Orforglipron Patienten mit Typ-2-Diabetes in einer ebenfalls fortgeschrittenen Studie, innerhalb von 40 Wochen nahezu 8 Prozent ihres Körpergewichts zu verlieren. Dieser Wert übertrifft die Performance von Novos injizierbarem Konkurrenzprodukt Ozempic, bei dem Diabetiker mit der Höchstdosis lediglich etwa 6 Prozent ihres Körpergewichts einbüßten. Lilly beabsichtigt, die Zulassungsanträge für Orforglipron bis zum Ende des laufenden Jahres einzureichen.
Strategisch erweitert Lilly sein Portfolio zudem durch gezielte Partnerschaften: Im vergangenen Jahr wurde eine Vereinbarung mit dem chinesischen Biotech-Unternehmen Laekna geschlossen, um ein Adipositas-Medikament zu entwickeln, das Patienten beim Abnehmen unterstützen soll, ohne dabei Muskelmasse zu opfern.
Darüber hinaus unterzeichnete Lilly im August einen Vertrag im Wert von bis zu 1,3 Milliarden US-Dollar mit Superluminal Medicines, um mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) niedermolekulare Wirkstoffe zur Behandlung von Adipositas und weiteren kardiometabolischen Erkrankungen zu erforschen und zu entwickeln.
Pfizer - so schnell wird nicht aufgegeben
Der US-Konzern musste die Entwicklung zweier oraler GLP-1-Kandidaten, Lotiglipron (2023) und Danuglipron (2025), aufgrund von Bedenken bezüglich der Lebergesundheit einstellen. Damit verfügte der Pfizer kurzfristig über kein selbst entwickeltes Adipositas-Medikament. Aber der Pharmakonzern machte sich sofort auf die Suche nach Abhilfe. Nach einem kurzen Bietergefecht mit Novo Nordisk sicherten sich die Amerikaner die Übernahme des Biotechunternehmens Metsera, um wieder ins Rennen um den Milliardenmarkt Adipositas-Medikamente einzusteigen.
Über die Vereinbarung zur Übernahme von Metsera sichert sich Pfizer den Zugriff auf die Adipositas-Medikamente des Biotech-Unternehmens, welche sich gegenwärtig in der frühen bis mittleren Entwicklung befinden. Hierzu zählt unter anderem MET-097i, eine GLP-1-Therapie, deren Besonderheit in einer konzipierten monatlichen Injektion liegt - im Gegensatz zu den wöchentlichen Behandlungen, die von den Wettbewerbern Lilly und Novo angeboten werden.
Metsera entwickelt parallel dazu MET-233i, ein Präparat, welches das Hormon Amylin der Bauchspeicheldrüse nachahmt. Die Wirksamkeit von MET-097i wurde im September in zwei Studien der mittleren Phase belegt, in denen nach 28 Wochen eine durchschnittliche Gewichtsabnahme von 14,1 Prozent erzielt wurde. Metsera hat angekündigt, noch in diesem Jahr Studien der späten Phase einzuleiten und das Medikament sowohl für Kombinationstherapien als auch für orale Darreichungsformen zu entwickeln.
Roche - Übernahmen sind Trumpf
Der Schweizer Pharmariese treibt seine Entwicklung im Adipositas-Segment durch strategische Akquisitionen voran. Im September wurde angekündigt, das experimentelle Medikament CT-388 in eine späte klinische Phase zu überführen. Dieses Präparat stammt aus der 2023 vollzogenen, 2,7 Milliarden US-Dollar schweren Übernahme von Carmot Therapeutics, dessen einmal wöchentlich injizierter Wirkstoff zur gleichen Klasse wie Lillys Zepbound zählt.
Zudem erwarb Roche bereits im März die Rechte an Zealand Pharmas Adipositas-Medikament Petrelintide in einem Geschäft mit einem potenziellen Wert von bis zu 5,3 Milliarden US-Dollar. Ein weiterer Wirkstoff, der aus der Carmot-Übernahme hervorging, zeigte im vergangenen Jahr zudem positive Ergebnisse in einer frühen Studienphase.
Amgen - setzt auf eigene Expertise
Mit MariTide verfügt Amgen über einen vielbeachteten experimentellen Adipositas-Kandidaten. Eine einjährige Studie der mittleren Phase zeigte im vergangenen Jahr, dass übergewichtige Patienten bis zu 20 Prozent ihres Körpergewichts verloren.
Amgen plant, die entscheidenden Studien der späten Phase noch vor Mitte des Jahres zu initiieren. Nach Einschätzung von Analysten ist der erzielte Gewichtsverlust vergleichbar mit den etablierten Mitteln Wegovy und Zepbound, wobei jedoch von Experten geringfügig mehr Nebenwirkungen beobachtet wurden.
Merck - besser spät als nie
Der amerikanische Pharmakonzern positioniert sich als später Teilnehmer im Wettbewerb um eine orale Abnehmpille, die eine Alternative zu den gängigen wöchentlichen Injektionen darstellen soll. Der Konzern schloss im vergangenen Jahr eine Lizenzvereinbarung über bis zu 2 Milliarden US-Dollar für das experimentelle orale Adipositas-Medikament HS-10535 des chinesischen Biotech-Unternehmens Hansoh Pharma ab. Bei diesem Wirkstoff handelt es sich um einen GLP-1-Rezeptoragonisten, der den Mechanismen von Wegovy und Zepbound ähnelt.
AstraZeneca - ebenfalls in China fündig geworden
Auch AstraZeneca verstärkt sein Engagement: Die experimentelle Abnehmpille AZD5004, für die das Unternehmen vor einem Jahr bis zu 2 Milliarden US-Dollar an das chinesische Unternehmen Eccogene lizenzierte, wurde in einer frühen Studie im November 2024 als sicher und gut verträglich eingestuft. Die einmal täglich einzunehmende Tablette wurde mittlerweile in eine mittlere Studienphase überführt.
Viking Therapeutics - Erwartungen leicht verfehlt
Bei Viking Therapeutics lieferte der orale Wirkstoff VK2735 gemischte Signale. Das Unternehmen berichtete im August, dass in einer mittleren Studie mit 280 übergewichtigen Erwachsenen nach 13 Wochen eine Gewichtsabnahme von 12,2 Prozent erzielt wurde. Damit verfehlte das Medikament jedoch die höchsten Erwartungen der Wall Street, die bei 15 Prozent lagen.
Scholar Rock - der andere Ansatz
Scholar Rock konzentriert sich auf den Muskelschutz beim Abnehmen. Im Juni zeigte eine mittlere Studie, dass die Kombination des experimentellen Medikaments Apitegromab mit Lillys Zepbound (Tirzepatid) zu einem signifikant besseren Erhalt der fettfreien Masse führte. Während Patienten, die die Kombination erhielten, nach 24 Wochen 1,54 Kilogramm fettfreie Masse verloren, belief sich der Verlust bei jenen, die nur Tirzepatid erhielten, auf 3,45 Kilogramm.
Altimmune - Nebenwirkungen könnten zum Problem werden
Das experimentelle Adipositas-Medikament Pemvidutid von Altimmune erzielte in einer mittleren Studie im Jahr 2023 eine durchschnittliche Gewichtsreduktion von 15,6 Prozent, wobei auch am Ende der Behandlung weiterhin ein Gewichtsverlust verzeichnet wurde. Allerdings berichteten die Studienteilnehmer über gastrointestinale Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen von leichter bis mittlerer Intensität.
Zealand Pharma - der Auftragsentwickler
Das Unternehmen gilt als wichtiger Akteur im Adipositas-Markt. Sein prominenter Kandidat, Petrelintide, ein dual wirkendes Medikament, zeigte in einer frühen klinischen Studie eine durchschnittliche Gewichtsabnahme von 8,6 Prozent nach 16 wöchentlichen Dosen.
Strategisch wichtig ist die Lizenzierung von Petrelintide an Roche im Rahmen eines Deals mit einem potenziellen Wert von bis zu 5,3 Milliarden US-Dollar, was die Attraktivität der Forschungsplattform unterstreicht.
Auch der deutsche Pharmakonzern Boehringer Ingelheim hat schon bei den Dänen zugegriffen und sich die Rechte an dem Wirkstoff Survodutide gesichert. Survodutide (auch als BI 456906 bekannt) ist ein vielversprechender experimenteller Dual-Agonist aus der Klasse der Medikamente gegen Adipositas, Typ-2-Diabetes und die Fettlebererkrankung MASH (metabolic dysfunction-associated steatohepatitis). Das Medikamentenkandidat befindet sich derzeit in umfangreichen Phase-3-Studien.
Structure Therapeutics - der Plattformentwickler
Structure Therapeutics ist ein biopharmazeutisches Unternehmen in der klinischen Phase, das sich auf die Entdeckung und Entwicklung neuartiger oraler Therapeutika für chronische Krankheiten konzentriert. Das Unternehmen nutzt eine proprietäre Technologieplattform zur Entwicklung von kleinmolekularen Agonisten für GPCRs (G-Protein-gekoppelte Rezeptoren).
Das primäre Ziel von Structure Therapeutics liegt in der Entwicklung oraler Medikamente zur Behandlung von Adipositas und Typ-2-Diabetes, um eine bequeme Alternative zu injizierbaren Therapien zu schaffen. Der Hauptkandidat ist ein oraler Agonist, der den GLP-1-Rezeptor adressiert. In einer mittleren klinischen Studie zeigte das experimentelle orale Adipositas-Medikament in einer mittleren Studie nach 12 Wochen eine durchschnittliche Gewichtsabnahme von 6,2 Prozent.
Wer hat die Nase vorne?
Die Pharma-Landschaft im Adipositas-Segment ist klar von Dynamik und hohem finanziellem Einsatz geprägt. Derzeit ist der Wettbewerb zugunsten von Eli Lilly verschoben, doch die Aggressivität der Konkurrenz verspricht einen anhaltend intensiven Wettkampf.
Mit einer Marktkapitalisierung von fast einer Billion US-Dollar und einer Pipeline, die neben dem bereits erfolgreichen Zepbound auch den oralen Kandidaten Orforglipron sowie das hochwirksame Retatrutid (in Studien bis zu 24,2 Prozent Gewichtsverlust) umfasst, demonstriert Lilly sowohl Innovationskraft als auch konsistente Studienerfolge. Die Breite und Tiefe der Lilly-Pipeline minimiert das Risiko von Rückschlägen und setzt den Maßstab für Effizienz und Verabreichungsformen.
Der Hauptkonkurrent Novo Nordisk, obwohl Pionier des Marktes, agiert derzeit als Verfolger. Der Konzern setzt strategisch alles auf den dual wirkenden Kandidaten Amycretin, dessen starke Studienergebnisse (bis zu 22 Prozent Gewichtsverlust) einen möglichen Game-Changer darstellen. Die zuletzt enttäuschenden Daten von CagriSema zeigen jedoch, dass der Weg zur Rückeroberung der Marktführerschaft steinig bleibt und der Erfolg dringend auf Amycretin angewiesen ist.
Die größten Herausforderer
Die größten Herausforderer stammen von den Pharmagrößen, die massiv in den Markt eintreten und eigene Vorteile in die Waagschale werfen. Hierzu zählt Amgen mit MariTide, das in Phase 2 Effizienzwerte von bis zu 20 Prozent zeigte, die mit den Blockbustern von Lilly und Novo vergleichbar sind. Die bald startenden späten Studien werden zeigen, ob das Unternehmen in der Lage ist, die gemeldeten leichten Nebenwirkungen zu managen und die Top-Werte zu bestätigen.
Ein weiterer signifikanter Spieler ist Roche. Der Schweizer Konzern hat durch die milliardenschweren Zukäufe (Carmot Therapeutics, Linzenzen Zealand Pharma) eine vielversprechende Next-Generation-Pipeline gesichert und setzt auf die Beschleunigung der Entwicklung von CT-388, einem direkten Konkurrenten zu Zepbound. Dies signalisiert die Absicht, schnell zur dritten Kraft im Markt aufzusteigen.
Ebenfalls zu beachten ist Pfizer, das trotz früherer Rückschläge über die Metsera-Übernahme den potenziellen Vorteil einer monatlichen Injektionsfrequenz (MET-097i) gewinnen könnte. Die Entscheidung im Rennen um diesen Blockbuster-Markt wird letztlich durch die Balance aus höchster Effizienz, besserer Verträglichkeit und innovativen Verabreichungsformen, wie der oralen Pille und Kombinationspräparaten, fallen.

Markus Weingran, Chefredakteur wallstreetONLINE Börsenlounge
Die wallstreetONLINE Börsenlounge ist ein beliebtes YouTube-Format, das sich auf das Thema Börse und Finanzen spezialisiert hat. Die Börsenlounge wird von der online-Finanzplattform wallstreetONLINE produziert und bietet den Zuschauern eine informative und unterhaltsame Show, die sich mit aktuellen Marktentwicklungen, Investitionstipps und Finanzthemen befasst. Täglich um 12 Uhr @wallstreetonlineTV
Übrigens: Zum Musterdepot der Börsenlounge geht es hier lang!
Enthaltene Werte: US0311621009,US5324571083,US7170811035,GB0009895292,CH0012032048,US58933Y1055,DK0060257814,US92686J1060,US80706P1030,US02155H2004,US86366E1064,DK0062498333



